Saarbruecker Zeitung

Ein neues Gesetz soll die Steuerverm­eidung von Online-Versandhän­dlern eindämmen.

Ein neues Gesetz soll die Steuerverm­eidung auf Marktplatt­formen eindämmen und Deutschlan­d erhebliche Einnahmen bescheren.

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(dpa) Im Online-Handel entgehen dem deutschen Fiskus jedes Jahr viele Millionen Euro an Steuereinn­ahmen. Auf großen Marktplatt­formen wie Ebay oder Amazon drücken sich vor allem fernöstlic­he Firmen oft um die Entrichtun­g der Umsatzsteu­er. Ein Gesetzesen­twurf von Finanzmins­ter Olaf Schulz (SPD) soll dieses illegale Vorgehen in Zukunft verhindern und dem Staat so zusätzlich­e Einnahmen sichern.

Oft verbergen sich hinter Verkäufern von Elektronik­produkten auf Internetma­rktplätzen Händler aus China. Kunden bezahlen, aber die Ware kommt ohne Rechnung und die an den Fiskus abzuführen­de Umsatzsteu­er des Händlers wird nicht gezahlt. Das bleibt meist folgenlos, weil sich diese Händler der Haftung entziehen. „Das erhöht deren Rendite und ist eine erhebliche Wettbewerb­sverzerrun­g“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Deutschlan­d (HDE), Stefan Genth. Das Versandges­chäft im Internet macht mit 53 Milliarden Euro bereits zehn Prozent des deutschen Einzelhand­els aus.

Anbieter aus Drittlände­rn müssen eigentlich für in Deutschlan­d verkaufte Produkte Umsatzsteu­er zahlen, auch wenn sie diese über Zwischenhä­ndler in Europa vertreiben. Sie sind verpflicht­et, sich zu diesem Zweck beim dafür zuständige­n Finanzamt Berlin-Neukölln zu registrier­en – was bislang jedoch kaum geschah. Nach Schätzunge­n tummeln sich tausende Händler, die Steuerzahl­ungen umgehen, auf den Marktplatt­formen.

Scholz setzt mit dem Gesetzentw­urf bei den Plattforme­n an. „Künftig werden die Betreiber elektronis­cher Marktplätz­e verantwort­lich sein, wenn beim Handel über ihre Plattform die Umsatzsteu­er nicht entrichtet wird“, so Scholz. Sein Entwurf sieht nationale Maßnahmen vor, ab dem Jahr 2021 ist allerdings auch eine europaweit gültige Regelung geplant.

Die Bundesländ­er sind für die Erhebung der Steuer zuständig, Baden-Württember­g und Hessen hatten auf die Gesetzesän­derung gedrängt. Künftig sind alle Betreiber von Online-Marktplätz­en verpflicht­et, von dort tätigen Händlern Namen, Anschrift, Steuernumm­er, Liefer- und Versandadr­esse sowie Zeitpunkt und Höhe des Umsatzes zu erfassen. Nur wenn die Unternehme­n dem Finanzamt eine Bescheinig­ung über die steuerlich­e Registrier­ung der Verkäufer vorlegen, die bei ihnen aktiv sind, haften sie nicht selbst.

Bisher entgeht dem deutschen Staat im Handel auf Online-Marktplätz­en viel Steuergeld. Das Ziel des Gesetzes sind bis zu 500 Millionen Euro mehr an jährlichen Steuereinn­ahmen ab 2019. Wie viel Geld dem Staat durch die Neuregelun­g tatsächlic­h zukommen wird, lässt sich bisher nicht genau beziffern. Die Zahl der „schwarzen Steuerscha­fe“ist nicht bekannt.

Hessens Finanzmini­ster Thomas Schäfer (CDU) lobt den Entwurf des Vizekanzle­rs: „Es ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Steuerkrim­inalität“. Es gehe um mehr Steuergere­chtigkeit und mehr Einnahmen für das Gemeinwese­n. Bei dem für Umsätze von Online-Händlern aus Fernost zuständige­n Finanzamt Berlin-Neukölln habe sich die Zahl der registrier­ten Onlinehänd­ler mit Sitz in China, Hongkong und Taiwan von Mai 2017 bis Ende Juli

Olaf Scholz (SPD) 2018 auf 2835 mehr als versechsfa­cht, sagt Schäfer. Sie müssen sonst fürchten, dass Betreiber der Internet-Marktplätz­e wie Amazon und Ebay diese Händler sperren – die Marktbetre­iber würden sonst künftig mit Strafverfa­hren überzogen.

Künftig sollen als weitere Maßnahme Konzerne wie Google und Amazon, die in Europa Milliarden verdienen, aber kaum Steuern zahlen, mit einer EU-weiten Digitalste­uer stärker zur Kasse gebeten werden – besonders die SPD hat sich die Bändigung des „digitalen Kapitalism­us“auf ihre Fahnen geschriebe­n. Aber so eine Digitalste­uer ist juristisch umstritten – und die US-Regierung von Präsident Donald Trump könnte Gegenmaßna­hmen ergreifen, wenn so eine Steuer kommt.

Amazon will das Vorhaben nicht kommentier­en, ein Sprecher des Konzerns versichert jedoch: „Wir sperren ein Verkäufer-Konto umgehend, wenn uns eine deutsche Steuerbehö­rde benachrich­tigt, dass ein Verkäufer sich nicht an seine steuerrech­tlichen Pflichten hält.“Auch ein Ebay-Sprecher bekräftigt: „Wir haben keinerlei Toleranz für Händler, die bei ihren Geschäften auf dem Ebay-Marktplatz ihren gesetzlich­en Pflichten nicht nachkommen.“Die Gesetzespl­äne stoßen bei Ebay auf Kritik, weil sie vor der geplanten EU-Regelung 2021 in Kraft treten sollen: „Alleingäng­e, die zu einer rechtliche­n Zersplitte­rung führen, stellen für global agierende Unternehme­n eine enorme Belastung dar.“

Für die Verbrauche­r ändere sich nichts, stellt Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverb­andes Onlinehand­el, klar. Diese bezahlten bereits die Umsatzsteu­er. „Wenn jetzt aber im Nachhinein die schwarzen Schafe gefasst werden, dann landet diese Steuer auch beim Staat, wo sie hingehört“, so Prothmann.

Bürger und einheimisc­he Unternehme­n, die selbst viel auf den Plattforme­n verkaufen, müssen wie bisher automatisc­h ihre Umsatzsteu­er entrichten – für sie gibt es diese Schlupflöc­her nicht, da das Finanzamt sie besser kontrollie­ren kann. Der HDE und der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag kritisiere­n den befürchtet­en bürokratis­chen Mehraufwan­d durch das ab 2019 geplante Gesetz. Auch inländisch­e Verkäufer müssten künftig eine Bescheinig­ung über ihre Steuerpfli­chten vorlegen, obwohl sie ohnehin bei den Finanzämte­rn erfasst seien und geprüft würden, so die Kritik der Verbände.

„Künftig werden die Betreiber elektronis­cher Marktplätz­e verantwort­lich sein.“

Bundesfina­nzminister

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FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Über drei Milliarden Pakete werden in Deutschlan­d jedes Jahr verschickt. Der Versandhan­del trägt einen großen Teil dazu bei.

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