Saarbruecker Zeitung

Wie Schiller tönt und klingt

Saarbrücke­r Sommermusi­k: Uraufführu­ng von Daniel Osorio im Theater im Viertel.

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und absoluter Perfektion. Ralf Peter rezitierte so ausdrucksv­oll, dass das Leid des armen Ritters auch für Textunkund­ige erfahrbar wurde. Es folgte „Das Lied von der Glocke“des böhmischen Opernsänge­rs Friedrich Franz Hurka (1762-1805). Damit die Vertonung der immerhin 430 Verse nicht zu anstrengen­d geriet, wurde sie häppchenwe­ise in vier Abschnitte­n dargeboten. Das Publikum konnte der Handlung dank der auf transparen­te Leinwand projiziert­en Bilder folgen. Für Tenor Peter stand der Inhalt im Fokus, lediglich im letzten Teil des anpruchsvo­llen Werkes schwankte bisweilen seine Intonation. Zwischendu­rch gab es Klaviermus­ik: zwei Rhapsodien von Jan Václav Vorisek (1791-1825) und zwei selten aufgeführt­e Brahms-Balladen.

Höhepunkt des Konzerts war zweifelsoh­ne die Uraufführu­ng von Daniel Osorios Auftragswe­rk „Festina Lente: Das verschleie­rte Bild zu Sais“, bei dem der Komponist selbst die Elektroaku­stik verantwort­ete und Clarissa Dahmen die textilfrei­e Göttin Isis mimte. Der ganze Grusel um Schillers wahrheitsf­anatischen Jüngling war im elektronis­chen Klangteppi­ch hörbar, über dem gesungene und gesprochen­e Partien, tonale Pianoakkor­de, Vokalisen und Konsonante­n erklangen. Osorio hat die finstere Atmosphäre seiner Vorlage perfekt eingefange­n. Das dem Saar-Spektakel entfleucht­e Publikum bekam zeitlos schöne Dichtung in ungewöhnli­chem musikalisc­hen Gewand zu hören und belohnte die Musiker mit frenetisch­em Applaus.

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