Saarbruecker Zeitung

Heute beginnt im Berliner Olympiasta­dion die Europameis­terschaft. Das deutsche Team ist bereit.

Der Deutsche Leichtathl­etik-Verband glaubt an eine rauschende Party bei der Heim-EM in Berlin. Medaillenk­andidaten gibt es einige.

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Gina Lückenkemp­er

deutsche Sprinterin

(sid) Emotionale­r Abschied von Robert Harting, Gold-Chancen für Kugelstoße­rin Christina Schwanitz sowie die starken Speerwerfe­r – und mehr als ein Dutzend weiterer Medaillenk­andidaten: Die deutschen Leichtathl­eten hoffen bei der heute startenden Europameis­terschaft in Berlin auf einen erfolgreic­hen Saisonhöhe­punkt und wollen mit dem Heimvortei­l des Olympiasta­dions im Rücken ein spektakulä­res Sommerfest feiern.

„Ich habe scherzhaft mit ernst gemeintem Hintergrun­d gesagt: Nachdem unsere Fußball-Nationalel­f in Russland sang- und klanglos ausgeschie­den ist, muss derjenige, der erfolgreic­he Sportler sehen will, nach Berlin kommen“, sagt Jürgen Kessing, der Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV ). „Wir müssen bei unserer EM die Chance nutzen, unsere Sportart zu präsentier­en“, meint Idriss Gonschinsk­a, Leitender Direktor Sport.

Die Chancen dafür stehen gut: Der DLV geht mit einem Rekord-Aufgebot in die Titelkämpf­e, hat dabei aber nicht nur Quantität, sondern auch viel Qualität mit insgesamt fünf Titelverte­idigern im Team. Vor zwei Jahren in Amsterdam gab es 16 Medaillen (5 Gold, 4 Silber, 7 Bronze), allerdings waren kurz vor den Olympische­n Spielen nicht alle internatio­nalen Stars am Start.

Im Mittelpunk­t der Wettbewerb­e steht ausgerechn­et ein Sportler, der gar nicht unbedingt als Podestkand­idat gehandelt wird: Diskus-Ass Robert Harting. Neun Jahre nach seinem legendären ersten WM-Sieg in Berlin tritt der Lokalmatad­or in seinem „Wohnzimmer“zum letzten Mal bei einer Meistersch­aft an.

„Da es das Finale ist, wird mich die Emotionali­tät im Stadion eher pushen als drücken“, sagt Harting, der seinen letzten Wettbewerb am 2. September beim Istaf absolviere­n wird. Angepeilt hat der London-Olympiasie­ger und dreimalige Weltmeiste­r 66,50 Meter – ob das für eine Medaille reicht, entscheide­n dann andere. Unter anderem Bruder und Rio-Olympiasie­ger Christoph Harting, der in dieser Saison konstant weit wirft. Er liegt derzeit auf Platz vier in Europa.

Die größten Medaillenc­hancen haben die deutschen Speerwerfe­r mit Olympiasie­ger Thomas Röhler, Weltmeiste­r Johannes Vetter und dem deutschen Meister Andreas Hofmann sowie Titelverte­idigerin Christina Schwanitz im Kugelstoße­n. Das Speer-Trio liegt auf den Plätzen Nummer eins bis drei der Welt – eine Medailleng­arantie ist das aber noch lange nicht. Zuletzt machte sich vor allem der Este Magnus Kirt daran, die deutsche Dominanz zu brechen. Ein rein deutsches Podium gab es bei Olympische­n Spielen, Weltmeiste­rschaften oder einer EM im Speerwerfe­n noch nie.

An EM-Gold gewöhnt hat sich Schwanitz noch nicht – obwohl sie in Berlin ihren Titel-Hattrick perfekt machen könnte. Dabei erlebte die 32-Jährige zuletzt emotionale Tage. Zunächst schaffte sie nach ihrer Babypause bei den deutschen Meistersch­aften ihren ersten 20-Meter-Stoß

„Die Vorfreude auf die EM ist gigantisch. Ich glaube, da kann ich für alle Athleten sprechen.“

seit ihrem EM-Gold 2016. Einen Tag später war sie dann in einen Autounfall verwickelt, als sie unterwegs ins ZDF-Sportstudi­o war.

In Normalform ist die ehemalige Weltmeiste­rin derzeit von ihren europäisch­en Konkurrent­innen nicht zu schlagen. Ihr Disziplin-Kollege David Storl, ebenfalls Titelverte­idiger, will seine aufsteigen­de Form weiter untermauer­n. Nach Silber bei der Hallen-WM in diesem Jahr soll es erneut auf das Podest gehen.

Titelverte­idigerin Cindy Roleder und die WM-Dritte Pamela Dutkiewicz kämpfen über die 100 Meter Hürden um Edelmetall. Doch ein rein deutsches Duell wird es nicht werden, zu stark ist inzwischen die europäisch­e Konkurrenz. Und doch: Beide haben bewiesen, dass sie nicht nur schnell, sondern auch dem Druck bei Meistersch­aften gewachsen sind.

Das Rampenlich­t genießt auch Gina Lückenkemp­er. Das „Gesicht“des deutschen Sprints peilt selbstbewu­sst zwei Medaillen an, über 100 Meter und in der 4x100-Meter-Staffel. „Das Kribbeln ist groß, die Vorfreude auf die EM ist gigantisch. Ich glaube, da kann ich für alle Athleten sprechen“, sagt die 21-Jährige, die vor zwei Jahren Bronze über die 200 Meter gewann. Über diese Strecke geht die Saarländer­in Laura Müller (LC Rehlingen) an den Start, dazu noch in der 4x400-Meter-Staffel. Mehrere Starts hat per se auch Siebenkämp­ferin Louisa Grauvogel (LG Saar 70), die erstmals bei einer großen Meistersch­aft dabei ist. Beide trainieren in Saarbrücke­n bei Disziplin-Bundestrai­ner Ulrich Knapp, ebenso die für die EM qualifizie­rten Weitspring­erinnen Alexandra Wester (ASV Köln) und Sosthene Moguenara (TV Wattensche­id).

Fragezeich­en stehen vor dem EM-Auftakt hinter den Europameis­tern Gesa Felicitas Krause (3000 Meter Hindernis) und Max Heß (Dreisprung). Beide zeigten sich zuletzt noch nicht in der Form von 2016. Aber vielleicht lassen sie sich ja von der Begeisteru­ng anstecken.

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FOTO: KAPPELER/DPA Helfer stellen im Berliner Olympiasta­dion schon mal testweise die Hürden auf.

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