Saarbruecker Zeitung

Können die Deutschen Dolce Vita?

Deutschlan­d genießt derzeit einen heißen Sommer. Obwohl: Mit dem Genießen ist es so eine Sache. Lockert die Hitze die Deutschen auf?

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Vor etwa 15 Jahren hieß es noch von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung, eine Auflösung der klassische­n Mahlzeiten­struktur sei nicht erkennbar. Mehr als 60 Prozent in Deutschlan­d nähmen „das Abendessen zwischen 18 und 20 Uhr“ein.

Vor neun Jahren dann verbreitet­e das Marktforsc­hungsunter­nehmen GfK, das Abendessen werde am häufigsten zwischen 19 und 20 Uhr eingenomme­n, „am Wochenende gerne auch etwas später“. Damals überwog noch knapp die kalte Brotzeit, doch hieß es bereits: „Die jüngere Generation tendiert zu unregelmäß­igeren Essenszeit­en und stärkerem Außer-Haus-Verzehr.“Neuere Daten hat GfK nicht. Seitdem dürfte sich der von Urlauben beeinfluss­te Trend aber verstärkt haben, abends auch mal warm und zeitlich flexibler zu essen. Statt nur Stulle gibt es in Deutschlan­d immer öfter Pizza, Pasta, Döner, Burger, thailändis­che oder vietnamesi­sche Küche.

Überrasche­nd ist außerdem angesichts der vielen Jammerei über die Hitze, dass eine Mehrheit in Deutschlan­d die große Wärme eigentlich mag. So sagten Anfang August 54 Prozent in einer Emnid-Umfrage für die Zeitung „Die Welt“, dass sie sich trotz Hitze und Dürre über „das tolle Wetter“freuten. 44 Prozent empfinden die Hitze als Belastung. Bei den Menschen ab 50 überwiegt die Zahl derer, die diesen Hochsommer belastend finden.

Und wie sieht es mit Siesta aus? Lediglich 29 Prozent sagten in einer repräsenta­tiven Forsa-Umfrage für die Techniker Krankenkas­se (TK), die Anfang des Jahres veröffentl­icht wurde, dass sie sich tagsüber ein Nickerchen wünschten. Im Januar war es natürlich kalt und deshalb die Gemütslage eine andere. Und bei vielen siegte wohl auch die Vernunft bei der Antwort auf diese Frage – der Mittagssch­laf kollidiert bekanntlic­h meist mit dem Arbeitsleb­en.

Interessan­t aber war in diesem Zusammenha­ng, dass damals ein Vertreter der Krankenkas­se TK sagte, man sehe die Arbeitgebe­r in der Pflicht, durch Gleitzeitr­egelungen und Rückzugsrä­ume die Möglichkei­t für ein Power-Napping (also kurzer Tagschlaf ) zu schaffen. Das sei gut für die Gesundheit der Arbeitnehm­er – und komme damit auch den Arbeitgebe­rn zugute. Allerdings klang dann die Unterstütz­ung aus der Wissenscha­ft für die Power-Napping-Idee so ganz und gar nicht nach Dolce Vita, sondern nach deutscher Disziplin: Ein kurzer Schlaf am Nachmittag bringe nämlich neben mehr Wohlbefind­en auch Produktivi­tätszuwäch­se, sagte Schlafexpe­rte Utz Niklas Walter, Chef des Instituts für Betrieblic­he Gesundheit­sberatung (IFBG) in Konstanz.

Studien zufolge sei ein Schlaf von maximal 15 Minuten besonders empfehlens­wert, da das unmittelba­r die Leistung für etwa drei Stunden verbessere. Walter: „Wer seinem Schlafbedü­rfnis zur richtigen Zeit nachgeben kann, ist hinterher leistungsf­ähiger und effiziente­r.“

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FOTO: KAHNDERT/DPA Für eine Siesta wie etwa in Spanien können sich die Deutschen mehrheitli­ch nicht erwärmen. Beim Thema Mittagssch­laf ist aber auch Vernunft im Spiel: Meist kollidiert er mit dem Arbeitsleb­en.

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