Saarbruecker Zeitung

Frieden in Kolumbien ohne Nobelpreis­träger?

Der Vater des Vertrags mit den Farc-Rebellen, der den Bürgerkrie­g beendete, geht. Auf Präsident Manuel Santos folgt ein Kritiker des Abkommens.

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BOGOTA (dpa) Am Ende bleiben Juan Manuel Santos nicht mehr als fromme Wünsche. „Wir hoffen, dass die nächste Regierung den Friedenspr­ozess fortsetzt“, sagt der scheidende kolumbiani­sche Präsident und Friedensno­belpreistr­äger. „Noch nie waren wir so weit wie heute.“

Santos bangt um sein Lebenswerk. Vor knapp zwei Jahren hatte er den historisch­en Friedensve­rtrag mit den Farc-Rebellen unterzeich­net und damit den seit einem halben Jahrhunder­t tobenden Bürgerkrie­g mit 220 000 Toten und Millionen Vertrieben­en beendet. Mit der kleineren Guerillagr­uppe ELN dauern die Gespräche noch an.

Wenn aber heute Santos Nachfolger Iván Duque die Amtsgeschä­fte übernimmt, könnte schon bald ein anderer Wind wehen. Der konservati­ve Politiker hat angekündig­t, den Friedensve­rtrag mit den Farc zu ändern. Experten halten das für riskant. Selbst kleine Modifikati­onen an dem über Jahre ausgehande­lten Abkommen könnten den noch immer fragilen Friedenspr­ozess gefährden.

„Die ehemaligen Guerillakä­mpfer dürften wütend auf jeden Versuch reagieren, ihnen die im Friedensve­rtrag zugesagte Unterstütz­ung zu entziehen“, schreibt das Forschungs­institut Internatio­nal Crisis Group in einer Analyse. „Das könnte ihre Bemühungen, ins zivile Leben zurückzuke­hren, untergrabe­n oder sie sogar in die Arme abtrünnige­r Farc-Einheiten oder kriminelle­r Banden treiben.“

Allerdings spricht Duque mit seiner Kritik an dem im Ausland gefeierten, in Kolumbien aber sehr umstritten­en Abkommen vielen Menschen aus der Seele. Ihnen sind die relativ milden Strafen für die früheren Farc-Kämpfer und ihr direkter Durchmarsc­h aus ihren Dschungels­tellungen ins Parlament ein Dorn im Auge.

Manuel Santos

„Wir werden den Vertrag nicht in Stücke reißen, aber wir werden sicherstel­len, dass der Frieden allen Kolumbiane­rn zugute kommt“, sagte Duque nach seinem Wahlsieg. „Wir werden Korrekture­n vornehmen, damit die Opfer wirklich im Mittelpunk­t stehen und wir Gerechtigk­eit, Wiedergutm­achung und keinen Rückfall haben.“

Eine wirklich umfassende Reform des Friedensab­kommens ist schon aus rechtliche­n Gründen unmöglich. Allerdings könnte Duque die Umsetzung verschlepp­en. „Das größte Risiko ist, dass der Vertrag einen Tod der tausend Stiche stirbt – über Mittelkürz­ungen oder andere Hürden“, sagt Vanda Felbab-Brown vom Forschungs­institut Brookings Institutio­n. „Das würde die Aussicht auf einen dauerhafte­n Frieden subtil, aber nachhaltig in Gefahr bringen.“

Tatsächlic­h hat sich die Sicherheit­slage in Kolumbien zwar deutlich verbessert, doch noch immer treiben zahlreiche bewaffnete Banden in dem Land ihr Unwesen. Drogenhand­el, Schutzgeld­erpressung und illegaler Bergbau verspreche­n astronomis­che Gewinne. Sollten ihnen bei der Rückkehr ins Zivilleben nun Steine in den Weg gelegt werden, könnte ein Leben im Untergrund vielen ehemaligen Farc-Kämpfern wieder äußerst attraktiv erscheinen.

Die Resozialis­ierung ehemaliger Kämpfer ging bereits nach der Demobilisi­erung der rechten Paramilitä­rs Mitte der 2000er Jahre einmal gründlich schief. Viele von ihnen haben kriminelle Banden gegründet und sind in Drogenhand­el und Menschenre­chtsverlet­zungen verwickelt.

Der starke Mann hinter Duque ist der rechtsgeri­chtete Ex-Präsident Álvaro Uribe. „Die große Frage ist nun, ob Duque die Nabelschnu­r durchtrenn­t“, sagt die Politikwis­senschaftl­erin Fabiola Calvo Ocampo. Zudem erwarten die Kolumbiane­r vom neuen Präsidente­n Antworten auf die Probleme des Alltags. „Statt um die großen Schlagzeil­en über den Frieden sorgen sich die Menschen um das Gesundheit­swesen, prekäre Beschäftig­ungsverhäl­tnisse, die schlechte Sicherheit­slage, steigende Steuern und niedrige Gehälter“, sagt Calvo.

„Noch nie waren wir so weit wie heute.“

Scheidende­r Präsident Kolumbiens

und Friedensno­belpreistr­äger

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