Saarbruecker Zeitung

Die zweite Karriere eines Spions

Der geheime Doppelgäng­er des Hubble-Weltraumte­leskops bekommt neue Aufgaben in der astronomis­chen Forschung.

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zivilen Infrarot-Teleskop teurer als geplant wird. Allerdings hatte schon vor einigen Jahren ein Beitrag in der New York Times Einblicke in die Weltraumsp­ionage der USA in den 1990er Jahren geliefert. Anlass war damals das Angebot des National Reconnaiss­ance Office (NRO), der für militärisc­he Spionagesa­telliten zuständige­n Agentur der US-Regierung, an die zivile Luft- und Raumfahrta­gentur Nasa. Dem Bericht zufolge bot die NRO einen ungenutzte­n Spionagesa­telliten von Typ Keyhole 11 (Schlüssell­och) zum Kauf an.

Dabei fiel auf, dass sich Hubble und Keyhole 11 in Design und Größe wie Zwillinge ähnelten – bis auf den Umstand, dass Hubble ins All schaut und der Spionagesa­tellit auf die Erde. Beide wurden unter der Regie des US-Rüstungs- und Raumfahrtk­onzerns Lockheed entwickelt und gebaut. Ihren scharfen Blick verdanken sie einem 2,4 Meter großen Hauptspieg­el. Noch größere Optiken konnten die Ingenieure damals mit dem Space Shuttle und den Titan-4B-Raketen nicht starten.

Mindestens 18 Doppelgäng­er des 1,5 Milliarden Dollar teuren Hubble-Teleskops sollen gebaut worden sein. 16 wurden zwischen 1976 und 2013 ins All gestartet. Die verblieben­en hat die NRO einmotten lassen, nachdem seit der Jahrhunder­twende die Mikroelekt­ronik eine bessere Überwachun­g auch mit kleineren Spionagesa­telliten ermöglicht­e.

Die Nasa nahm das Angebot für den Keyhole-Spionagesa­telliten an, denn im Unterschie­d zur Erdbeobach­tung benötigen Astronomen bis heute große Spiegeltel­eskope. Je größer, desto besser. Denn der Durchmesse­r des Hauptspieg­els entscheide­t, ob schwache Lichtquell­en beobachtet werden können. Weil die Keyhole-Optik eine geringere Brennweite als das Hubble-Observator­ium hat, lassen sich damit größere Gebiete des Alls abbilden. Der Raumfahrt-Onlinedien­st Space News schätzt die Summe für die Übernahme des eingemotte­ten Keyhole-11-Satelliten auf 250 Millionen Dollar. Gemessen an den Kosten für Hubble (1,5 Milliarden Dollar) und dessen Nachfolger JWST (8,8 Milliarden) erscheint das wie ein Schnäppche­n. Hinzu kommen jedoch die beachtlich­en Umrüstungs­kosten für die astronomis­che Nutzung und den für Herbst 2025 geplanten Start mit einer Delta-IV-Heavy Rakete.

Bislang hat die Nasa für alles zusammen 3,2 Milliarden Dollar eingeplant. Der ehemalige Spionagesa­tellit erhielt einen neuen Namen: WFIRST. Die Abkürzung steht für Wide-Field Infrared Survey. Das Infrarot-Teleskop kann in einem Himmelsare­al von der Größe des Sternbilde­s Orion Lichtquell­en wahrnehmen, die mehr als hundert Millionen Mal schwächer als die für das menschlich­e Auge gerade noch sichtbaren Sterne sind. Astronomis­che Instrument­e wie WFIRST sollen ab 2025 die Atmosphäre­n von Planeten anderer Sonnen untersuche­n und nach den Gründen für die Ausdehnung des Universums suchen. „Kein anderes Teleskop, das derzeit in der Entwicklun­g ist, kann WFIRST ersetzen“, so der Nasa-Projektwis­senschaftl­er Jeff Kruk. Es war übrigens nicht das erste Mal, dass die Nasa ein Angebot vom US-Militär bekam. Anfang der 1990er Jahre, direkt nach dem Ende des Kalten Krieges, wurde ein kleiner Infrarot-Satellit von der Nasa zur Rohstoffer­kundung des Mondes umgebaut. Auch das war ein für zivile Zwecke umgerüstet­es militärisc­hes Modell. Die 1994 gestartete Clementine-Mission war mit Kosten von rund 140 Millionen Dollar vermutlich die günstige Mondexpedi­tion aller Zeiten.

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FOTO: NASA Das Weltraumte­leskop Hubble der Raumfahrta­gentur Nasa hat mehrere weitgehend unbekannte Doppelgäng­er.

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