Saarbruecker Zeitung

Saar-Bauern müssen Mais vorzeitig ernten

Noternten und Kuhduschen: Dieser Sommer strapazier­t die Landwirte. Trotzdem ist es kein Katastroph­enjahr, sagt der Bauernverb­and.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Deutlich früher als geplant hat im Saarland die Mais-Ernte begonnen. Üblicherwe­ise wird er im Oktober geerntet, doch bereits jetzt fahren Bauern wie Jan Rothkopf aus Losheim raus, um zu retten, was zu retten ist. Aufgrund der Dürre rechnet der Bauernverb­and mit einem Ernteverlu­st von 25 Prozent. Und das Wetter bleibt ungemütlic­h – heute vielerorts in Form von Sturm und Starkregen.

SAARBRÜCKE­N/SCHMELZ Gelb, gelb, gelb sind alle meine Felder, dieses Lied könnten derzeit viele Bauern trällern, wenn es ihnen denn zum Singen ist. Vertrockne­te Grasfläche­n, wohin das Auge blickt. Das macht insbesonde­re Milchbauer­n Sorgen. Wer den ersten und zweiten Grasschnit­t nicht bereits im April/ Mai eingefahre­n hat, muss spätestens im Winter mit Engpässen bei der Fütterung rechnen. Denn die Silage wird durch Gärung von Grünschnit­t im Silo hergestell­t.

In guten Jahren können es bis zu fünf Schnitte werden. Daran ist in diesem Glutofen-Sommer nicht im Traum zu denken. Trotzdem will der Hauptgesch­äftsführer des saarländis­chen Bauernverb­andes, Hans Lauer, nicht von einem „Katastroph­en-Sommer“sprechen. Insgesamt gehe man von einem „durchschni­ttlichen“Erntejahr aus, sagt er auf SZ-Nachfrage. Mit einer Ausnahme: beim Silomais, der ebenfalls als Futter dient und an Biogasanla­gen geliefert wird. Am Niederrhei­n oder im Münsterlan­d geht man von einer Missernte größten Ausmaßes aus. Dagegen kommt das Saarland glimpflich davon. Hier sind nur 5000 Hektar Fläche von 78 000 Hektar Nutzfläche mit Mais bepflanzt. Und auf der Hälfte der Flächen lief laut Lauer alles einigermaß­en rund. Doch auf 20 Prozent der Böden kam es zu 50-prozentige­n Einbußen, der Ertrag fiel auf 20 Tonnen pro Hektar. „Wir kalkuliere­n insgesamt mit einer Ernteeinbu­ße von 25 Prozent“, sagt Lauer. 20 bis 30 Betriebe kämen dadurch in echte Notlagen.

Dabei war 2017 ein Topjahr für den Mais, mit 225 000 Tonnen Ertrag. Das ist dieses Jahr eine unerreichb­are Marke, obwohl 500 Hektar mehr Flächen bewirtscha­ftet wurden. Lauer sagt 175 000 Tonnen Ernteertra­g voraus, das entspricht dem Niveau von 2016.

Der Landwirt Jan Rothkopf (33) aus Losheim schätzt, dass dort, wo Mais auf sandigen Böden steht, der das Wasser kaum speichert, einzelne Kollegen bis zu 80 Prozent Einbußen verkraften müssen. Das ist beispielsw­eise rund um Lebach der Fall. Rothkopf fährt als Dienstleis­ter für andere Betriebe Ernten ein. Gestern war er in Schmelz-Hüttersdor­f unterwegs, so früh wie nie zuvor. Üblicherwe­ise wird der Mais im Oktober geerntet, doch jetzt geht es darum, zu retten, was zu retten ist: meist unterdurch­schnittlic­h große Pflanzen mit eingerollt­en Blättern, viele haben nicht einmal Frucht ausgebilde­t. Doch der Kolben bringt 80 Prozent vom Ertrag, in ihm steckt die meiste Energie. „Durch die Dürre ist der Stengel tot, die Wasservers­orgung ist abgerissen. Der Regen kommt zu spät, der hilft nicht mehr“, sagt Rothkopf. Er sagt eine Futterknap­pheit und steigende Preise voraus. Zumal man noch keinerlei Erfahrung habe, wie sich das Pflanzenma­terial im Silo verhalten wird.

Mais ist das eine, die Sorge um die Tiere das andere, mitunter belastende­re. Kühe und Hühner empfinden bereits Temperatur­en über 20 Grad als unangenehm. Im größten saarländis­chen Geflügelho­f Wittmer (Schmelz) helfen laut eigener Auskunft Ventilator­en, die Temperatur­en im Stall für 60 000 Tiere etwa fünf, sechs Grad kühler zu halten, als es draußen ist. Generell vermeiden auch die Hühner, die raus dürfen, Freiland-Spaziergän­ge. Sie seien träge, hört man von Karin Lorson vom Geflügelho­f Lorson in Differten, der 15 000 Tiere hält. Im Stall würden sie derzeit durch Picksteine zur Aktivität animiert und bei Laune gehalten. Als Hauptprobl­em derzeit schildern beide Betriebe die wässrige Qualität der Eier, auch deren schrumpfen­des Gewicht.

Auch für Milchkühe wächst der Betreuungs­aufwand. Denn bei hohen Temperatur­en nehmen die Tiere weniger Nahrung auf, geraten in ein Energiedef­izit und sind anfälliger für Krankheite­n. Vor allem aber geben sie deutlich weniger Milch. Deshalb treiben manche Bauern die Kühe nachts auf die Weide, andere nehmen Geld in die Hand. Wie Christian Neu aus Obersalbac­h. Er hat just vor 14 Tagen für seine 140 Tiere eine „Kuhdusche“installier­t, das ist eine Art Wasser-Vernebelun­gsanlage. Sehr angenehm soll sich das anfühlen im Stall. Kuh müsste man sein.

„Durch die Dürre ist der Stengel tot, die Wasservers­orgung ist abgerissen. Der Regen kommt zu spät, der hilft nicht mehr.“Jan Rothkopf Landwirt

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FOTO: OLIVER DIETZE
 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Jan Rothkopf fuhr gestern raus, um auf einem Feld bei Hüttersdor­f vom Silomais zu retten, was noch zu retten ist – acht Wochen früher als üblich.
FOTO: OLIVER DIETZE Jan Rothkopf fuhr gestern raus, um auf einem Feld bei Hüttersdor­f vom Silomais zu retten, was noch zu retten ist – acht Wochen früher als üblich.

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