Saarbruecker Zeitung

Zahl der Islamisten im Saarland steigt rasant

Der Verfassung­sschutz registrier­t vor allem einen deutlichen Zuwachs an Salafisten in der Region.

- VON NORA ERNST

SAARBRÜCKE­N Extremisti­sche Anhänger des Islam sind nach Erkenntnis­sen des saarländis­chen Verfassung­sschutzes hierzuland­e auf dem Vormarsch. Im vergangene­n Jahr hat die Behörde gut 300 Personen beobachtet, die der islamistis­chen Szene zugeordnet werden. Im Jahr davor waren es noch 260. Insbesonde­re die Zahl der Salafisten, eine ultrakonse­rvative Strömung des Islam, ist demnach deutlich angestiege­n, von 200 auf 250. Die „ganz überwiegen­de Zahl“der Salafisten im Saarland lehne allerdings Gewalt sowie Terrorgrup­pen wie Al Qaida oder den sogenannte­n Islamische­n Staat strikt ab und trete „für eine Verbreitun­g ihrer Ideologie mit friedliche­n Mitteln“ein, sagte Verfassung­sschutz-Chef Helmut Albert gestern bei der Vorstellun­g seines Jahresberi­chts 2017. Er geht davon aus, dass die Zahl der Islamisten weiter steigen wird.

Auch die Zahl der Straftaten mit islamistis­chem Hintergrun­d hat sich von neun auf zwölf erhöht. Erstmals seien darunter auch terroristi­sche Delikte gewesen, erklärte Albert. Zu Details wollte er sich mit Blick auf laufende Strafverfa­hren nicht äußern. In drei Fällen habe es sich um die Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Organisati­on im Ausland gehandelt, in zweien um die Vorbereitu­ng einer staatsgefä­hrdenden Gewalttat und in zwei weiteren um den Verdacht auf Terrorismu­sfinanzier­ung. Rund 150 Hinweisen auf Personen, die sich radikalisi­ert haben, ging der Verfassung­sschutz im Vorjahr nach.

Nach Angaben des saarländis­chen Innenminis­ters Klaus Bouillon (CDU) vernetzen sich Extremiste­n immer stärker internatio­nal und werden immer profession­eller. Er mahnte dennoch zu Besonnenhe­it: „Trotz aller Bedrohung durch Extremismu­s und Terrorismu­s sollten wir nicht in Hysterie verfallen.“Das Saarland sei nach wie vor ein ruhiges und sicheres Umfeld.

SAARBRÜCKE­N Sie wenden sich gegen „Multikulti“, „massive muslimisch­e Zuwanderun­g“und den „Verlust der eigenen Identität durch Überfremdu­ng“. Was seine Anfänge in Frankreich nahm, ist inzwischen auch ins Saarland übergeschw­appt: die rechtsextr­emistische „Identitäre Bewegung“. 2015 habe es erste Hinweise auf die Gruppierun­g gegeben, sagt Helmut Albert, Leiter des saarländis­chen Verfassung­sschutzes bei der Vorstellun­g des „Lagebilds Verfassung­sschutz 2017“. Inzwischen habe sich ein Sympathisa­ntenkreis von 30 bis 40 Personen etabliert, der sich zu monatliche­n Stammtisch­en trifft. Seit November vergangene­n Jahres wird die Bewegung vom Verfassung­sschutz beobachtet. Albert spricht von einem Fall, „der uns gewisse Sorgen bereitet“. Die Bewegung sei ein „Sammelbeck­en für ehemalige NPDler und Enttäuscht­e der rechtsextr­emistische­n Szene“. Arbeitsfäh­ige Strukturen habe sie bislang aber noch nicht aufgebaut.

Insgesamt ist die Zahl der Rechtsextr­emisten im Saarland im Jahr 2017 leicht gestiegen: von 290 auf 310. Der NPD kam das nicht zugute. Sie konnte auch nicht davon profitiere­n, dass das Bundesverf­assungsger­icht ein Verbot der Partei abgelehnt hatte: Ihre Mitglieder­zahl sank von 90 auf 70. Der Verfassung­sschutz verzeichne­te zwar einen leichten Rückgang rechtsextr­emistische­r Straftaten um rund zehn Prozent auf 226. Allerdings verdoppelt­e sich die Zahl der Gewalttate­n von acht auf 15. Dabei seien die Täter zuvor durchweg nicht in der Szene bekannt gewesen, sagt Albert. Dies sei ein Indiz, dass rassistisc­hes Gedankengu­t Eingang in Teile der Gesellscha­ft gefunden habe.

Die Zahl der Reichsbürg­er und Selbstverw­alter ist deutlich gestiegen, von 75 auf 120. Laut Albert liegt das vor allem daran, dass der Verfassung­sschutz inzwischen „mehr Einblick“in die Szene habe. Beide Gruppierun­gen erkennen die Bundesrepu­blik und ihre Rechtsordn­ung nicht an. Während die Reichsbürg­er an den Fortbestan­d des „Deutschen Reichs“oder an Königreich­e wie Bayern oder Preußen glauben, gründen die Selbstverw­alter ihre eigenen Staaten, die teilweise „nicht über ihr Grundstück hinausgehe­n“, wie Albert sagt. Bei rund einem Viertel gebe es eine Überschnei­dung mit der rechtsextr­emistische­n Szene, vier Personen waren Waffenbesi­tzer. 2017 gab es erstmals einen Übergriff eines Reichsbürg­ers auf einen Polizisten.

Die Zahl der Islamisten im Saarland ist ebenfalls gestiegen, von 260 auf 300. Vor allem unter den Salafisten, einer ultrakonse­rvativen Strömung des Islams, gab es einen deutlichen Zuwachs von 200 auf 250 Personen. Erfreulich­erweise lehnten die Salafisten im Saarland überwiegen­d Gewalt ab, sagt Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU). „Das ist auch darauf zurückzufü­hren, dass der Verfassung­sschutz seit Jahren zu Beratungsg­esprächen in die Moscheegem­einden geht.“

Die Zahl der Personen, die dem linksextre­mistischen Spektrum zugeordnet werden, blieb 2017 im Vergleich zum Vorjahr nahezu unveränder­t. Im Bereich Ausländere­xtremismus gab es einen leichten Anstieg der Straftaten von elf auf 14, die alle der „Arbeiterpa­rtei Kurdistans“(PKK) zuzuordnen waren.

Der Verfassung­sschutz arbeitet mit den saarländis­chen Jobcentern zusammen und hat von dort insgesamt sieben Hinweise erhalten. Laut Albert handelte es sich in einem Fall um einen Reichsbürg­er, in sechs Fällen wurde ein islamistis­cher Hintergrun­d vermutet, der sich jedoch nicht bestätigte. In den Jobcentern gebe es eine große Unsicherhe­it darüber, was man dem Verfassung­sschutz mitteilen sollte, sagt Albert. Die Linke, die seit Jahren die Abschaffun­g des Verfassung­sschutzes fordert, hatte die Zusammenar­beit scharf kritisiert. Für solche Fälle sei die Polizei zuständig, die demokratis­ch transparen­ter sei.

 ?? FOTO: DPA/DIETZE ?? Der saarländis­che Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU)
FOTO: DPA/DIETZE Der saarländis­che Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU)
 ??  ??
 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Helmut Albert, Leiter des Verfassung­sschutzes im Saarland
FOTO: OLIVER DIETZE Helmut Albert, Leiter des Verfassung­sschutzes im Saarland

Newspapers in German

Newspapers from Germany