Saarbruecker Zeitung

Vieles ist schöner als Fliegen

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Mallorca 12 Euro, Wien 40 Euro. Hin und zurück, versteht sich. Einige Billig-Flugangebo­te von gestern. Die in Wahrheit keine sind. Abzocke für jedes Extra, im Flieger, am Boden. Und grenzenlos ist die Freiheit über den Wolken auch nicht mehr. Sie beträgt meistens nur noch 71 Zentimeter, dann kommt der nächste Sitz. Das Handgepäck zu Füßen, weil die Ablagen mit Koffern verstopft sind. Was passiert bloß, wenn diese Maschinen wirklich mal schnell evakuiert werden müssen? Von wegen, nur Fliegen ist schöner. In langen, langen Schlangen stehen. Kontrollen, warten, drängeln.

Das Wachstum des Flugverkeh­rs ist seit dem Auftauchen der Billiganbi­eter geradezu explosions­artig verlaufen. Doch die Infrastruk­tur, die Regeln und die Personalau­sstattung sind nicht gleich schnell mitgewachs­en. Die alte, elitäre Kultur des Fliegens ist tot. Die neue ist chaotisch und oft entwürdige­nd. Kleine Fehler bei den Sicherheit­schecks in München und Frankfurt haben in diesem Sommer Zigtausend­e für ganze Tage in den Hallen stranden lassen. Am Freitag geht es weiter, dann streiken die Piloten von Ryanair. Endlich wehrt sich eine Belegschaf­t gegen das Lohndumpin­g, das die Kehrseite des Preisdumpi­ngs ist.

Die Anbieter sagen, sie hätten das Reisen demokratis­iert. Jeder könne sich jetzt ein fernes Urlaubszie­l leisten. Das stimmt. Zugleich aber haben sie das Reisen auch zerstört. Sie haben das Flugzeug zu einem ebenso unwürdigen Ort gemacht, wie es die Massenquar­tiere in vielen Urlaubsort­en schon sind. Nur saufen kann man nicht so hemmungslo­s; die Bordverpfl­egung ist dafür zu teuer. Noch haben die Zustände nicht die Sicherheit berührt. Das grenzt an ein Wunder. Aber wer behauptet, man könne das ungebroche­n so fortsetzen, ohne das irgendwann irgendwo ein Fehler passiert, der aus einer Kombinatio­n von Überforder­ung und Unterbezah­lung resultiert, der ist ein Träumer.

Es ist an der Zeit, auch für die Qualität des Fliegens Mindeststa­ndards zu formuliere­n. Und zwar bis ins Detail, am Boden wie in der Maschine. Am besten freiwillig, das wäre Sache der nationalen und internatio­nalen Verbände. Doch wenn sie sich nicht einig sind, muss die EU Vorgaben machen. Das mag als Eingriff in das freie Wirtschaft­en erscheinen, aber hier geht es um Verbrauche­rschutz und grundlegen­de Arbeitnehm­errechte. Die Fluggesell­schaften würden die Passagiere am liebsten noch im Stehen unterbring­en.

Das ist das eine. Das andere: Mindestens das innerdeuts­che Fliegen wäre überflüssi­g. Das hat – nach anfänglich­en Problemen – der Erfolg der neuen Schnellbah­nstrecke Berlin-München gezeigt. Das könnte auch für Randlagen wie das Saarland gelten, wenn die Verbindung­en besser wären. Die Regierung sollte das Bahnfahren weiter systematis­ch fördern, etwa durch eine Senkung der Mehrwertst­euer auf die Tickets. Und den Parallel-Flugverkeh­r ebenso systematsi­ch verteuern. Da ist, Stichwort Einführung einer Kerosinste­uer, sehr viel Luft nach oben.

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