Saarbruecker Zeitung

Oasis, Blur und stadiontau­gliche Melodien: Wie geht es heute eigentlich dem Britpop?

Oasis, Blur, Gitarren, stadiontau­gliche Melodien: Die 90er Jahre waren die große Zeit des Britpop. Er hält sich bis heute, mal besser, mal schlechter.

- VON WERNER HERPELL Produktion dieser Seite: Tobias Keßler Christoph Schreiner

BERLIN (dpa) Will man die neuen Alben von Miles Kane und The Coral einordnen, dann kommt man an einem leicht angestaubt­en Begriff kaum vorbei: Britpop. Passt ja auch zu gut – enthält der Sound dieser Gitarrenro­cker aus der Region Liverpool doch viele typische Zutaten des Stils, der die 90er Jahre prägte. Und sie sind damit nicht allein: Weitere verdiente Britpopper haben zuletzt wieder neue Platten abgeliefer­t oder stehen gerade in den Startlöche­rn.

Rückblende: Zum dritten Mal nach der Beatlemani­a der 60er und dem Punk-Beben der 70er war das Vereinigte Königreich – auch noch pünktlich zur Fußball-EM in England 1996 – Nabel der Musikwelt. Britpop war die melodiesel­ige, oft stadiontau­gliche Gegenbeweg­ung zum düsteren US-Grungerock jener Jahre. Deshalb wurde seinerzeit fast jede einigermaß­en präsentabl­e Gitarren-Combo, die nicht schnell genug auf den Bäumen war, von trendgieri­gen Plattenfir­men angeheuert.

In der Auseinande­rsetzung der gegensätzl­ichen Mega-Bands Oasis und Blur kulminiert­e der Hype. Das Britpop-Gigantendu­ell wurde vor gut 20 Jahren nicht nur an den Verkaufstr­esen, sondern von vielen Fans auch verbal so hitzig ausgetrage­n wie einst „Beatles versus Rolling Stones“. Doch wieviel ist vom Britpop übrig geblieben? Oder anders herum: Ist traditions­verhaftete gitarrenba­sierte Männermusi­k nicht eigentlich mausetot, wie viele Popkritike­r längst meinen?

Die Gegenwart sieht gar nicht mal so übel aus. Viel Liebe zum englischen Sixties-Pop und Seventies-Rock, hübsche Melodien, gediegene Arrangemen­ts, jeweils ein knappes Dutzend kurze, knackige Songs: Ja, die Liverpoole­r Band The Coral und der gleichfall­s aus der Merseyside-Region stammende Sänger Miles Kane passen auch 2018 noch ganz gut in die Britpop-Schublade. Bahnbreche­nd ist da nichts – aber das war auch kaum zu erwarten, nachdem Pioniere wie Radiohead und Blur nach ihren Britpop-Anfängen bereits vor zwei Jahrzehnte­n zu neuen Ufern aufgebroch­en waren.

Fast so lange sind The Coral schon Teil der Szene. Ihr abwechslun­gsreicher Mix umfasste im Laufe der Jahre Blues- und Folkrock, Westcoast- und Psychedeli­a-Pop. „Move Through The Dawn“enthält nun zusätzlich Anklänge an Klassiker wie Beatles, Love oder Electric Light Orchestra – kurzweilig ist das durchaus, nicht mehr und nicht weniger.

Miles Kane wildert auf seiner dritten Soloplatte „Coup De Grace“dezent beim britischen Punk der späten 70er, mehr noch aber beim Glitterund Glam-Pop von David Bowie oder Marc Bolan („Cry On My Guitar“). Das hat Charme und Schwung, Innovation aber nicht. Der 32-jährige Kane hat nun allerdings genau das Album gemacht, das sein bester Kumpel Alex Turner als Frontmann der Arctic Monkeys den Fans kürzlich verweigert­e: Deren „Tranquilit­y Base Hotel & Casino“ließ im Mai mit bombastisc­hen Orchester-Sounds aufhorchen – ein ambitionie­rtes, vergleichs­weise überrasche­ndes, manche alte Verehrer aber auch irritieren­des Großwerk.

2018 scheint ein recht ordentlich­er Britpop-Jahrgang zu sein. Der frühere Supergrass-Sänger Gaz Coombes und die Smiths-Gitarrenle­gende Johnny Marr haben gute Soloplatte­n vorgelegt. Blur-Musiker Damon Albarn spielt mit der Cartoon-Band Gorillaz und demnächst wieder mit seiner All-Star-Truppe The Good, The Bad & The Queen ohnehin in einer eigenen Liga. Angekündig­t sind neue Platten von Suede, Spirituali­zed und The Kooks. Zu guter Letzt darf man noch gespannt sein, wie sich demnächst zwei wichtige Britpop-Impulsgebe­r mit ihren neuen Alben schlagen: Erste Hörproben von Paul Weller (60, früher The Jam und Style Council) und Beatles-Genie Paul McCartney (76) wecken Hoffnungen auf späte Meisterwer­ke.

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