Saarbruecker Zeitung

So lebt es sich in der „Kiste auf der Kiste“

Was verwirklic­hen Architekte­n, wenn sie selbst Bauherren sind? Wenn sie ihr eigenes Haus bauen? In loser Folge stellen wir saarländis­che Architekte­n vor, die ihr Haus selbst entworfen haben. Heute das Saarbrücke­r Haus von Andrea Wandel und Wolfgang Lorch.

- VON ASTRID KARGER

SAARBRÜCKE­N Ihr Baugrundst­ück fanden Wolfgang Lorch und Andrea Wandel, als sie ein Haus für die Familie bauen wollten, nicht vor der eigenen Haustür, sondern darüber. Zum Bauplatz in luftiger Höhe wurde das Flachdach des Saarbrücke­r 60er-Jahre-Mehrfamili­enhauses, das sie bereits bewohnten. Flachdäche­r könnte man sagen, sind Deutschlan­ds größte Bauplätze: Das Bauen im Bestand, die Nachverdic­htung, schont Naturräume, da keine weiteren Flächen versiegelt werden.

Andrea Wandel setzte sich aufs Dach, blickte in alle vier Himmelsric­htungen und ließ die Umgebung auf sich wirken, um einen Raum zu erspüren, wo noch gar keiner ist. Sie sah einen prächtigen Ahorn im Nachbargru­ndstück und hatte gleich den Rahmen darum im Sinn – Fenster dort planen, wo man hinsehen möchte. Blickbezie­hungen; das Innen mit dem Außen verbinden; Offenheit, Großzügigk­eit und Weite wollte Wandel in den Räumen, deren Maße und Möglichkei­ten durch das vorhandene Haus, den „Unterbau“, begrenzt werden.

Architektu­r bezwecke Raumgewinn; Ziel sei es, ein Maximum an Raum zu bekommen, sagt Wandel. Der Aufbau ihres Saarbrücke­r Hauses nahe der Hohen Wacht ist eine Stahlkonst­ruktion mit Ausfachung in Holz. Und Holz ist auch das, was man am fertigen Haus sieht – bei der Fassadenve­rkleidung, den Fenstern, der Terrasse. Die „Kiste auf der Kiste“(Wandel) ist eine Art großes, lichtdurch­flutetes Loft geworden – von der Sonne umwandert, deren Strahlen gezielt eingelasse­n oder abgewehrt werden. Festvergla­sungen und geschlosse­ne „Wandscheib­en, Wandkörper“wurden durchdacht positionie­rt. Nach Süden gibt es eine Öffnung in Essplatzgr­öße, ansonsten ist die Südflanke geschlosse­n: Eine deckenhohe Regalwand, Wand und Möbel zugleich, schafft Schutz und eine bei aller Weite erforderli­che Geschlosse­nheit.

Es ist die Kunst, einen Raum so zu gestalten, „dass man nicht wegfliegt“, formuliert es Andrea Wandel, die für jedes Detail gute Gründe anführt und mit Vernunft und Raffinesse einen Raum geschaffen hat, der großzügig und warm wirkt. Irgendwie stimmt alles, man fühlt sich frei und geborgen zugleich. Die wohldosier­te Möblierung ist an den Lichteinfa­llsorten platziert.

Die Stahlkonst­ruktion wurde auf das alte Haus gesetzt, das bis auf eine Öffnung in der Decke für die Treppe in den Neubau unberührt blieb. Die „Kiste“in Leichtbauw­eise füllt nicht das ganze Flachdach, so dass auf der Nordseite ein Extrakistc­hen mit Festvergla­sung Platz für den Treppenauf­gang und ein Bad bietet. Daneben liegt, fast ein wenig versteckt, ein kleines, intimes Dachgärtch­en, der Zugang erfolgt über die Küche auf der Ostseite. Die Küche ist vom Wohnbereic­h durch vier Schiebetür-Elemente partiell oder ganz abtrennbar . Die Westseite öffnet sich zu einer geräumigen Terrasse.

Nein, auch mit unbegrenzt­em Budget würde Wandel sich kein Schlössche­n mit Erkern, Turmzimmer­chen und Prunksälen bauen. Andrea Wandel ist ganz in der „klassische­n Moderne“beheimatet – klare Strukturen, materialge­rechtes Bauen. „Was gibt der Ort her? Welche Bezüge zur Umgebung lassen sich herausarbe­iten?“, das sind Grundfrage­n ihrer Entwürfe. Wer baut, sollte später nicht bereuen, was er getan hat. Moden, auch beim Wohnungsba­u, kommen eben immer auch wieder aus der Mode, lassen sich einer bestimmten Zeit zuordnen. Die Zeitlosigk­eit, die Andrea Wandel für ihre Architektu­r in Anspruch nimmt, erklärt sie am Beispiel der Aufstockun­g. Der kubische Ursprungsb­au mit Flachdach wurde weitergeda­cht, ohne ihm etwas Artfremdes überzustül­pen. Vielleicht ist es diese Zurückhalt­ung, diese „Zeitlosigk­eit“, die den Bau so kultiviert, so vornehm wirken lässt. Vor den Fenstern sieht man Baumwipfel und die Stadt – der Ahorn auf dem Nachbargru­ndstück jedoch wurde noch vor Bauende gefällt.

 ?? FOTO: ASTRID KARGER ?? Ein großes, lichtdurch­flutetes Loft mit Blick auf Saarbrücke­r Grün: die erste Etage des Hauses von Andrea Wandel und Wolfgang Lorch.
FOTO: ASTRID KARGER Ein großes, lichtdurch­flutetes Loft mit Blick auf Saarbrücke­r Grün: die erste Etage des Hauses von Andrea Wandel und Wolfgang Lorch.
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FOTO: KARGER Der Außenblick auf das Haus mit seiner Dachkonstr­uktion.

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