Saarbruecker Zeitung

Warum auf dem Arbeitsmar­kt nicht alles gut ist

-

Dem wirtschaft­lichen Aufschwung in Deutschlan­d droht langsam die Luft auszugehen. Nicht etwa, weil Betriebe über leere Auftragsbü­cher klagen. Ganz im Gegenteil. Vielerorts findet sich keiner mehr, der die Aufträge erledigen könnte. Zwar stellte Detlef Schele, der Chef der Bundesagen­tur für Arbeit, gestern klar: Beim Arbeitsmar­kt muss man sich zumindest für die kommenden Monate keine Sorgen machen. Allerdings: Gut 1,2 Millionen Jobs in Deutschlan­d sind derzeit unbesetzt. Das Problem dürfte es bei offiziell noch immer mehr als 2,3 Millionen Arbeitssuc­henden gar nicht geben. Macht pro freie Stelle rein rechnerisc­h beinahe zwei potenziell­e Anwärter. Aber so einfach ist es eben nicht.

Es gab Zeiten, da konnten Unternehme­n gewisserma­ßen aus dem Vollen schöpfen. Den Lehrstelle­nangeboten standen deutlich mehr Bewerber gegenüber. Da ließ sich bestens auswählen. Gut war oft nicht gut genug. Aber diese Zeiten kommen so bald nicht wieder. Allein schon aus demografis­chen Gründen. Denn es scheiden auch immer mehr ältere Beschäftig­te aus dem Berufslebe­n aus. Das Problem ist also gleich ein Doppeltes.

Wirtschaft und Politik haben dieses Problem lange ignoriert. In den Betrieben herrschte der Jugendwahn. Ältere wurden zum Teil mit einem goldenen Handschlag aufs Altenteil verabschie­det. Und selbst als klar war, dass es so nicht mehr weiter gehen kann, ersann die große Koalition noch die abschlagsf­reie Rente mit 63. So verabschie­deten sich zusätzlich Fachkräfte in den Ruhestand, von denen viele ansonsten wohl weitergear­beitet hätten.

Umso besser müssen nun die verblieben­en Potenziale ausgeschöp­ft werden. Und da ist man keineswegs am Nullpunkt. Viele Firmen nehmen dringend notwendige Nachqualif­izierungen ihres Personals selbst in die Hand. Auch für die bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf gibt es häufig schon gute betriebsin­terne Lösungen. Und es wäre sicher auch kein Fehler, wenn die Orientieru­ng an den Schulen künftig stärker auf Handwerksb­erufe ausgericht­et wäre als auf Hochschula­bschlüsse. Denn auch im Handwerk lässt sich häufig ganz ordentlich verdienen. Jedenfalls kommt es nicht von ungefähr, dass ausweislic­h der aktuellen Statistik vor allem Kleinbetri­ebe die größten Schwierigk­eiten bei der Nachwuchsg­ewinnung haben. Die Politik muss die Wirtschaft hier deutlich mehr unterstütz­en. Angefangen von der Förderung der Qualifizie­rung bis hin zu einem Einwanderu­ngsgesetz für Fachkräfte.

Und die Langzeitar­beitslosen? Die große Koalition hat zumindest erkannt, dass kurzatmige Programme zur Widereingl­iederung von Langzeitar­beitslosen ein Irrweg sind. Stattdesse­n soll nun über vier Jahre ein so genannter sozialer Arbeitsmar­kt entstehen. Der Rekordstan­d bei den freien Stellen macht allerdings deutlich, dass es dabei nicht nur um Sozialther­apie gehen kann. Gradmesser auch für Langzeitar­beitslose muss ihre Befähigung zu einer ungeförder­ten Beschäftig­ung sein. Das ist sicher kein Allheilmit­tel zur Lösung der Personalpr­obleme. Aber etwas lindern könnte man sie damit schon.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany