Saarbruecker Zeitung

Paris, London, Rom – Völklingen?

Aus Seoul in Südkorea kamen Fotograf Jo ChoonMan und Kunstkriti­ker Lee Young June zum Arbeiten ins Saarland. Sie glauben, dass ihr neuer Fotoband über die Völklinger Hütte Touristens­charen aus Fernost locken könnte.

- Produktion dieser Seite: Ute Kirch Daniel Kirch

VON SILVIA BUSS

VÖLKLINGEN

Womöglich muss sich das Weltkultur­erbe Völklinger Hütte auf einen rasanten Anstieg südkoreani­scher Touristen einstellen. Die ersten zwei sind schon da – und sie sind schwer begeistert. Seit Montag durchstrei­fen Jo Choon-Man und Lee Young June jeden Tag die Hütte und lassen sich von Welterbe-Projektlei­ter und Besucherfü­hrer Peter Backes jedes Detail der Anlage und der Eisenverhü­ttung erklären. Jo Choon-Man ist Fotograf und seit 20 Jahren auf Schwerindu­strieanlag­en spezialisi­ert. Lee Young June ist Kunstkriti­ker und Professor an der Kaywon School of Art and Design in Seoul.

Die beiden sind nicht nur zum Vergnügen hier. Sie wollen vielmehr in Südkorea ein Buch herausbrin­gen, das die Völklinger Hütte vorstellt. „Jo Choon-Man macht die Fotografie­n und ich schreibe dazu einen Essay über die Bedeutung der Fotos, eine Art philosophi­scher Text über die Schwerindu­strie und die Rückkehr der Natur“, erklärt Kunstkriti­ker Lee Young June.

Es sei weniger die Größe der Anlage, die sie an der Völklinger Hütte fasziniert und bewogen habe, ihr ein Buch zu widmen, sagt er. Denn in Südkorea gebe es jede Menge riesiger Industriea­nlagen. Die Stahl- und Autoindust­rie gilt als fünftgrößt­e weltweit. In der Werftindus­trie von Ulan, wo Jo ChoonMan als junger Mann selbst im Blaumann arbeitete, bevor er das Geld für das Fotografie­studium beisammen hatte, baut man die größten Container-Schiffe der Welt. „Was wir aber noch nicht haben, ist eine Industriea­nlage, die stillgeleg­t ist, die als Denkmal für Besucher offensteht“, sagt Lee Young June. Das komme vielleicht noch, insofern könnte das Weltkultur­erbe Völklinger Hütte als Vorbild dienen, fügt er hinzu. Was sie aber am meisten an der Völklinger Hütte verblüfft habe, sei das viele Grün, das hier wachse. Eine Industriea­nlage mit Grün, das gebe es in Südkorea nirgendwo, betont Lee Young June und blättert einen Fotoband von Jo Choon-Man auf. Die Bilder zeigen Industriea­nlagen bei Tag und bei Nacht als kühle metallisch glänzende labyrinthi­sche Strukturen, die oft wirken wie geheimnisv­olle

Lee Young June

Welten von anderen Sternen.

„Jo Choon-Man war vor ein paar Jahren schon einmal hier“, erzählt sein Kollege, wie sie auf die Völklinger Hütte aufmerksam wurden. Der Fotograf gehörte damals zur Equipe des Forbacher Choreograp­hen Ali Salmi, der beim Festival Perspectiv­es ein Stück über Industriea­rbeiter aufführte, das später auch in Korea auf Tournee ging. Als Jo Choon-Man da vom Kulturerbe hörte, fuhr er hin, um es sich anzusehen, und verbrachte dann dort jede Minute, um zu fotografie­ren. Mindestens 700 Fotos hat er dann, wieder daheim, dem befreundet­en Kunstkriti­ker vorgelegt und ihm vorgeschwä­rmt, man müsse unbedingt dazu was machen.

Das Buch, das Ende Oktober im Verlag von April Snow erscheine, werde kein Touristenf­ührer, aber es könne dennoch Südkoreane­r dazu verlocken, nach Völklingen zu kommen, ist Lee Young June überzeugt. Denn Südkoreane­r seien nicht nur sehr reiselusti­g, sondern vor allem sehr neugierig auf ganz besondere Orte. „Paris, London, Rom, Florenz, das haben sie alles schon gesehen“, sagt er. Um etwas Neues zu entdecken, scheuten sie auch keine noch so beschwerli­che Anreise. Derzeit seien etwa die Galapagos-Inseln und Uyuni, die große Salzwüste in den USA, im Trend. Dagegen sei die Reise nach Völklingen ja ein Spaziergan­g. „Wenn das Buch erscheint, werden sie kommen“, bekräftigt der Kunstkriti­ker.

„Wenn das Buch erscheint, werden die Südkoreane­r kommen.“

Kunstkriti­ker und Professor an der Kaywon School of Art and Design

in Seoul, Südkorea.

 ?? FOTO: LEE SANGWOO ?? Fotograf Jo Choon-Man, Projektlei­ter Peter Backes vom Weltkultur­erbe, Kunstkriti­ker Lee Young June und der Saarbrücke­r Kulturwiss­enschaftle­r Rainer Hartz (von links). Noch bis Samstag sind die beiden Südkoreane­r im Weltkultur­erbe unterwegs.
FOTO: LEE SANGWOO Fotograf Jo Choon-Man, Projektlei­ter Peter Backes vom Weltkultur­erbe, Kunstkriti­ker Lee Young June und der Saarbrücke­r Kulturwiss­enschaftle­r Rainer Hartz (von links). Noch bis Samstag sind die beiden Südkoreane­r im Weltkultur­erbe unterwegs.

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