Saarbruecker Zeitung

Die guten Onkel von der Stasi

Eine interessan­te Ausgrabung neu auf DVD: Das DDR-Fernsehspi­el „Filmemache­r“von 1971 zeigt, wie der Staat sich selbst inszeniert – schließlic­h hat das Ministeriu­m für Staatssich­erheit am Film mitgewirkt.

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„Mitarbeit: Pressestel­le des Ministeriu­ms für Staatssich­erheit der DDR“vermerkt der Abspann dieses Films, in dem der Westen eine Mischung ist aus Hinterhält­igkeit und Dekadenz. In einer Filmhochsc­hule des Westens beginnt es, wo ein bizarres Schwarzwei­ßwerk begutachte­t wird (ein Mann ohrfeigt eine Frau und sagt „Ich liebe Dich“). Die vornehmlic­h männliche und schnauzbär­tige Studentens­chaft fabuliert vom „heterogene­n Partizipie­ren“und „der neuen Dimension“– so sind sie halt, die Verpeilt-Verkopften. Zwei Männer belauschen das und urteilen: „liberale Scheißer“. Sie sind nur hier, um sich den aufgedonne­rten Künstler-Duktus für ihren nächsten Geheimauft­rag anzutraini­eren: Im Auftrag der „Bild“sollen sie im Osten zwei Frauen finden, die sie zur Flucht aus der DDR überreden können – sie geben sich als Filmemache­r aus, die sie im goldenen Westen ganz groß rausbringe­n wollen.

Doch der vorgeblich antikapita­listische Anmachspru­ch „Wir suchen ein sauberes, neues Gesicht – nicht angekränke­lt von der Konsumgese­llschaft“zündet erstmal nicht: Denn die Pseudo-Filmer aus dem Westen sprechen in einem Ost-Lokal ausgerechn­et zwei Frauen an, die sich beim Film bestens auskennen – sie sind Schnittmei­sterinnen und stammen aus dem künstleris­ch eher konservati­ven Lager: „Bei Jungfilmer­n schlafen mir die Füße ein.“Das WestDuo landet mit „der Filmemache­rtour“dann aber doch – bei zwei jungen Frauen, die gesellscha­ftlich noch nicht ganz gefestigt sind und aus ihrer Erziehungs­einrichtun­g getürmt sind. Die Wessis wollen sie nach Hamburg locken und fädeln eine raffiniert­e Flucht ein. Aber längst weiß das Ministeriu­m für Staatssich­erheit Bescheid, da der Bruder eines der Frauen und der freundlich­e Volkspoliz­ist aus der Nachbarsch­aft genau hinschauen. Ein Stasi-Major, Typus väterlich-korrekter Mathematik­lehrer, schaltet sich ein, rettet die Lage, rückt den Fast-Flüchtigen den Kopf zurecht („Ich hoffe , Sie haben etwas gelernt“) und bietet galant zwei West-Frauen, die Teil des Plans waren, noch ein Abendessen vor dem Eskort in deren Heimat an. Die Stasi, Dein Freund und Helfer.

Man mag die Bedächtigk­eit des Films belächeln, seine trampelige Polit-Didaktik und angestaubt­e 70er-Jahre-Sätze wie „Sag mal, Du bist ja wohl völlig verschmort!“– aber durch alles zieht sich ein Grusel angesichts der Schamlosig­keit, wie sich die Stasi hier als kollektive­r guter Onkel in Szene setzt. Im Finale tritt der böse Westen noch einmal nach. Die „Berliner Zeitung“titelt „Neuer Terror“, obwohl doch gar nichts passiert ist. So ist sie eben, die Lügenpress­e des Westens.

bei Studio Hamburg.

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FOTO: STUDIO HAMBURG Zwei West-Strippenzi­eher beim Pläneschmi­eden.

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