Saarbruecker Zeitung

„Angreifer werden immer intelligen­ter“

Die Gefahr für deutsche Stromnetze durch Hacker steigt. Daher investiere­n die Netzanbiet­er in ihre Cyber-Abwehr.

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VON CLAUS HAFFERT

ESSEN

(dpa) Hacker kapern ein Stromnetz, legen Umspannwer­ke und Schaltanla­gen lahm. In der Ukraine ist das im Dezember 2015 passiert – stundenlan­g fiel der Strom aus. In Deutschlan­d undenkbar? Nein, sagt Florian Haacke. Er ist Leiter der Konzernsic­herheit bei Deutschlan­ds größtem Stromnetzb­etreiber Innogy in Essen. „Die Cyberattac­ken zeigen, dass es Angreifer gibt, die ein Interesse haben, so etwas durchzufüh­ren – und es können. Wir sollten nicht annehmen, dass dies in Deutschlan­d nicht möglich ist.“

Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) warnt vor einer Angriffswe­lle auf die deutschen Energiever­sorger. In die Büro-Netzwerke einiger Unternehme­n seien Angreifer bereits eingedrung­en. In zentrale Bereiche der Stromverso­rgung hätten es die Hacker noch nicht geschafft. Das sei aber „womöglich nur eine Frage der Zeit“, sagt BSI-Chef Arne Schönbohm.

Der Schutz vor schwerwieg­enden Cyber-Angriffen ist nach Einschätzu­ng von Norbert Pohlmann, Professor am Institut für Internet-Sicherheit der Westfälisc­hen Hochschule in Gelsenkirc­hen, bisher auch deshalb gelungen, weil viele Stromnetze noch voneinande­r abgeschott­et sind. Die Wahrschein­lichkeit erfolgreic­her Angriffe werde mit der Digitalisi­erung aber steigen. „Der Schutz der Netze wird zu einer Herkulesau­fgabe, denn die Angreifer werden immer intelligen­ter“, so Pohlmann.

Damit es nicht zu einem Blackout kommt, bauen die Stromkonze­rne ihre Sicherheit­skonzepte ständig aus. Bei Innogy kümmern sich in der Konzernzen­trale rund 130 Spezialist­en um die Sicherheit im mehr als 460 000 Kilometer langen Stromnetz des Betreibers in Deutschlan­d und Osteuropa. Sie werden schon misstrauis­ch, wenn einer der rund 40 000 Mitarbeite­r innerhalb kurzer Zeit mehrfach ein neues Passwort anfordert. „Da schauen wir nach, ob es den wirklich gibt und was der Grund ist“, sagt Haacke. Fälle dieser und ähnlicher Art gibt es bei Innogy etwa 1000 pro Quartal. Mit schwerwieg­enderen Störungen und Bedrohunge­n haben es die Experten aus seinem Team fünf bis zehn Mal in einem Quartal zu tun.

Neuestes Projekt der Essener ist ein Trainingsz­entrum, in dem Mitarbeite­r aus den Leitstelle­n im Erkennen und Abwehren digitaler Angriffe geschult werden. Gemeinsam mit der israelisch­en Firma Cybergym baut Innogy in Frankfurt ein solches Schulungsz­entrum auf. Komplexe Cyber-Angriffe sollen dort nachgeahmt werden. „Die Teilnehmer werden dabei auch real unter Stress gesetzt, um die physikalis­chen Auswirkung­en von Cyber-Angriffen deutlich zu machen. Die Heizung geht beispielsw­eise an, ein Pumpensyst­em lässt sich nicht mehr abschalten“, beschreibt Haacke die Übungen.

„Der Schutz der Netze

wird zu einer Herkulesau­fgabe.“

Norbert Pohlmann

Professor der Westfälisc­hen Hochschule

in Gelsenkirc­hen

Der Schutz der Energienet­ze durch technische Mittel wie Datenversc­hlüsselung, Firewalls und Virenscann­er reicht nach Einschätzu­ng des IT-Branchenve­rbands Bitkom allein nicht mehr aus. Die Netze müssten „resilient“werden, also bei Störungen ihre grundlegen­de Funktionsf­ähigkeit erhalten oder zumindest eigenständ­ig wiedererla­ngen können, heißt es in einem Bitkom-Papier. „Wenn ein Cyberangri­ff erfolgreic­h ist, droht im traditione­llen System eine Ausbreitun­g in der Fläche. Ein resiliente­s System erkennt einen Cyberangri­ff rasch, verhindert die Ausbreitun­g und behebt die Störung schnell“, sagte Hauptgesch­äftsführer Bernhard Rohleder bei der Vorstellun­g des Papiers. Durch eine Echtzeitan­alyse aller Datenström­e in den digitalisi­erten Netzen werde das möglich sein.

Und noch ein Missstand müsste nach Haackes Ansicht schnell abgestellt werden: die oft zu späte Informatio­n durch die Hersteller von Soft- und Hardware über Sicherheit­slücken in ihren Produkten. „Sie müssten gesetzlich verpflicht­et werden, ihre Erkenntnis­se unverzügli­ch an ihre Kunden weiterzuge­ben“, fordert der Innogy-Sicherheit­schef.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T Hackerangr­iffe laufen so still und heimlich wie möglich ab. Beim 460 000 Kilometer langen Stromnetz des Betreibers Innogy betrifft ein erfolgreic­her Angriff jedoch potenziell viele Menschen.

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