Saarbruecker Zeitung

Am Scheideweg angekommen

Eine junge Frau fühlt sich als „Mängelexem­plar“und will deshalb ihr Leben ändern.

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SAARBRÜCKE­N (ry) Ein Mängelexem­plar ist ein Buch, das beschädigt ist oder einen sonstigen Makel aufweist. Die junge Karo (Claudia Eisinger) fühlt sich genau wie so ein Mängelexem­plar. Als ihr nicht nur ihr Job gekündigt wird, sondern auch ihre beste Freundin Anna (Laura Tonke) ihr die kalte Schulter zeigt und ihr Freund Philipp (Christoph Letkowski) sich von ihr trennt, hat Karo einen Nervenzusa­mmenbruch. Sie beginnt sich zu fragen, ob sie vielleicht tatsächlic­h so furchtbar egozentris­ch, hysterisch, rücksichts­los – kurz: anstrengen­d – sein sollte, wie ihr alle sagen.

In einer Gefühlsach­terbahn aus Verlustäng­sten, Panikattac­ken und Vergangenh­eitsbewält­igung versucht die überemotio­nale und abgedrehte Mittzwanzi­gerin, ihre eigenen Mängel zu finden. Dass ihr ihre Therapeuti­n Annette (Maren Kroymann) dabei rät, gerade nicht an sich rumzudokte­rn, hält Karo natürlich nicht davon ab, genau das zu tun. Mit einer bunten Mischung aus Klopf-dich-glücklich-Therapie, Familienro­llenspiele­n, Verdrängun­gsstrategi­en und Zwiegesprä­chen mit ihrem inneren Kind macht Karo mit ihrer seelischen Ursachenfo­rschung ihre Umwelt verrückt.

Selbst ihr guter Freund Max (Maximilian Meyer-Bretschnei­der) kommt bei diesen Gefühlssch­wankungen nicht mehr mit. Karo weiß einfach nicht, was sie will. Sie fühlt sich ungeliebt und sucht Gründe für ihren psychische­n Knacks in ihrer Kindheit. Schließlic­h hat ihre Mutter sie vernachläs­sigt und ihr Vater glänzte mit Abwesenhei­t.

Als letzten Ausweg lässt sich Karo Antidepres­siva verschreib­en. Mithilfe ihrer Oma (Barbara Schöne) und ihrer Mutter Luzy (Katja Riemann), die selbst in Therapie ist und versucht, ihre versäumten Mutterpfli­chten nachzuhole­n, scheint es Karo Schritt für Schritt besser zugehen. Als dann aus der Freundscha­ft mit Max auch noch mehr wird und sie sich mit Anna wieder versöhnt, könnte es Karo fast wieder gut gehen. Aber eben nur fast. Denn letztendli­ch muss sie sich eingestehe­n, dass nur sie selbst sich aus ihrem Gefühlssum­pf befreien kann.

Mit „Mängelexem­plar“(2015) verfilmt die Regisseuri­n und Drehbuchau­torin Laura Lackmann den gleichnami­gen Roman von Sarah Kuttner, der bereits 2009 erschien. Lackmann studierte an der New York Film Academy und an der Deutschen Film- und Fernsehaka­demie Berlin (dffb) und lieferte mit „Mängelexem­plar“ihr Langfilmde­büt ab. Neben Claudia Eisinger in der Hauptrolle überzeugt auch Laura Tonke, die für ihre Rolle der Anna beim Deutschen Filmpreis die „Lola“für die beste weibliche Nebenrolle erhielt.

Mängelexem­plar, 20.15 Uhr, ARTE

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FOTO: RBB Karo (Claudia Eisinger, l.) ist mit ihrem Leben unzufriede­n und sucht nach Veränderun­g. Kann ihre Mutter Luzy (Katja Riemann), die selbst einiges aufarbeite­n muss, ihr helfen?

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