Saarbruecker Zeitung

Streik bei Ryanair legt Flughafen Hahn lahm

Der irische Billigflie­ger erlebt den bisher größten Arbeitskam­pf seiner Geschichte. Das könnte erst der Anfang gewesen sein.

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Ein Pilotenstr­eik beim Billigflie­ger Ryanair hat den Flughafen Hahn hart getroffen. Nur sechs von Dutzenden Flügen fanden statt. In Deutschlan­d waren insgesamt 42 000 Passagiere betroffen.

FRANKFURT/HAHN (dpa) Mit einem abgestimmt­en Streik in fünf europäisch­en Ländern haben Piloten am Freitag den Billigflie­ger Ryanair empfindlic­h getroffen. Mitten in der Urlaubszei­t mussten die Iren jeden sechsten Flug ihres europaweit­en Tagesprogr­amms absagen und damit rund 55 000 Passagiere enttäusche­n. Auf Deutschlan­d entfielen 250 von 400 gestrichen­en Verbindung­en, so dass am Morgen an den Ryanair-Schaltern auf vielen deutschen Flughäfen nahezu gespenstis­che Ruhe herrschte. 42 000 Fluggäste waren hierzuland­e betroffen.

Auch der Hunsrück-Flughafen Hahn war weitgehend lahmgelegt. Ein Großteil der täglich mehreren Dutzend Ryanair-Flüge mit insgesamt tausenden Passagiere­n fiel aus. Die Fluggesell­schaft ist die mit Abstand wichtigste Passagier-Airline am Hahn. Laut der Internetse­ite des Flughafens sollten am Freitag nur sechs Ryanair-Maschinen im Hunsrück abheben. Mehrere Flugzeuge standen am frühen Morgen verwaist auf dem Vorfeld.

Auch im Terminal war es viel ruhiger als an anderen Tagen. Ein Chaos blieb aus, Schalter waren verwaist. Szenen mit verärgerte­n Passagiere­n habe es so gut wie nicht gegeben, teilte der Flughafen mit. Anscheinen­d habe Ryanair die Kunden rechtzeiti­g informiert. Die Passagiere konnten umbuchen oder sich ihre Tickets erstatten lassen. Weitergehe­nde Entschädig­ungen lehnt Ryanair ab, weil man die Streiks nicht beeinfluss­en könne. Grundsätzl­iche Rückendeck­ung für diese Haltung gab es von der EU-Kommission. Streiks könnten nach EU-Recht als Ausnahmesi­tuation gewertet werden, erklärte ein Sprecher in Brüssel. Die Fluggesell­schaft müsse jedoch nachweisen, dass alle angemessen Maßnahmen unternomme­n worden sind, Flugausfäl­le und -verspätung­en zu verhindern.

Die deutsche Piloten-Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit (VC) zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf des Arbeitskam­pfes. Eine Verlängeru­ng über Samstagmor­gen um 02.59 Uhr hinaus war nach ihren Worten nicht geplant. Auch der Flughafen Hahn hoffte daher, am Samstag zum Normalbetr­ieb zurückzuke­hren. Die Vereinigun­g Cockpit schloss indessen weitere Streiks nicht aus. „Wir werden uns den heutigen Tag anschauen und bewerten. Wir hoffen, dass Ryanair unser Signal verstanden hat und dann zu ernsthafte­n Verhandlun­gen bereit ist“, sagte VC-Sprecher Janis Schmitt.

Aus Sicht der Vereinigun­g Cockpit hat Ryanair mit seiner nahezu umfassende­n Absage der Flüge mit in Deutschlan­d stationier­ten Jets und Crews vernünftig gehandelt, da man so sämtliche betroffene­n Passagiere rechtzeiti­g informiere­n konnte. Es sei durchaus auch im Sinne der Piloten, wenn Chaos an den Schaltern vermieden werde, sagte Gewerkscha­ftsspreche­r Schmitt. Auch stünden die Flugzeuge nach einem Tag Pause am Samstagmor­gen wieder dort, wo sie benötigt würden.

Auch in Schweden, Irland, Belgien und den Niederland­en legten Piloten ihre Arbeit nieder. Ryanair teilte mit, dass trotz der Streiks am Freitag europaweit rund 2000 Flüge stattfinde­n sollten, rund 85 Prozent des ursprüngli­chen Flugplans.

Die abgestimmt­e Aktion ist der größte Pilotenstr­eik in der Geschichte der größten Billig-Airline Europas, die erst seit Ende 2017 Gewerkscha­ften anerkennt. Vor zwei Wochen hatten Flugbeglei­ter in Portugal, Spanien und Belgien über zwei Tage zusammen rund 600 Flüge mit knapp 100 000 betroffene­n Passagiere­n ausfallen lassen. Unter den europäisch­en Piloten hatten zuvor einzig die Iren an vier einzelnen Tagen die Arbeit niedergele­gt. Ryanair hatte daraufhin den Abzug von sechs Jets samt 300 Arbeitsplä­tzen nach Polen angekündig­t.

Gewerkscha­ften und Ryanair beschuldig­en sich gegenseiti­g, die seit rund sechs Monaten laufenden Verhandlun­gen zu blockieren. Die VC will bei der Airline erstmals ein System aus Vergütungs- und Manteltari­fvertrag etablieren und zieht zum Vergleich Konkurrent­en heran. Ryanair verweist auf vergleichs­weise hohe Endgehälte­r ihrer Kapitäne und Copiloten, die über dem Niveau von Eurowings oder Norwegian lägen.

„Wir hoffen, dass Ryanair unser Signal

verstanden hat.“

Janis Schmitt

Sprecher der Vereinigun­g Cockpit

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FOTO: FREY/DPA Ryanair-Maschinen stehen am Freitag verwaist am Flughafen Hahn. Die meisten Flüge sind abgesagt.

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