Saarbruecker Zeitung

Der Kreml lädt zum Kriegsspie­l ein

Russlands Streitkräf­te sind gefürchtet. Doch einmal im Jahr messen sie sich mit Gästen „friedlich“im Militärhan­dwerk.

- VON FRIEDEMANN KOHLER

(dpa) Verbissen kämpfen sich weißrussis­che Fallschirm­jäger durch den Parcours: Bäuchlings unter Drähten durch, über die Mauer, runter in den Tunnel und dann eine nachgebaut­e Hauswand hinauf. Im Team vier Mann mit Sturmgeweh­r, einer mit Panzerfaus­t. Neben der Strecke auf dem Manövergel­ände der russischen 76. Fallschirm­jäger-Division bei Pskow knallen Platzpatro­nen, es soll ja echt wirken.

Wenige Wochen nach der Fußball-WM erlebt Russland den nächsten großen Wettbewerb: die Internatio­nalen Armeespiel­e, zum vierten Mal organisier­t vom russischen Verteidigu­ngsministe­rium. „Mit jedem Jahr wächst die Zahl der Teilnehmer, werden neue Regionen erfasst, wird das Programm komplizier­ter“, sagte Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu zur Eröffnung Ende Juli in Alabino bei Moskau. Beim Abschluss dieser Olympiade militärisc­hen Könnens an diesem Samstag werden 189 uniformier­te Mannschaft­en aus 32 Nationen in 28 Diszipline­n den Sieger ermittelt haben. Die Wettbewerb­e fanden nicht nur in Russland statt, sondern auch in anderen Ländern wie im Iran oder in China.

Der Aufwand ist gigantisch, aber die russische Armee kann sich so im besten Licht zeigen. Einmal geht es nicht um Syrien, nicht um die Frage, ob Russland bei einem Manöver zu viele Soldaten einsetzt und gegen internatio­nale Verträge verstößt – wie 2017 beim Großmanöve­r Zapad an der Grenze zu den Nato-Staaten im Baltikum. Dies ist ein friedliche­r Wettbewerb.

Russische Soldaten zeigen, was sie mit ihren Waffen können; die Bevölkerun­g kann stolz auf sie sein; und Russland macht sich von Jahr zu Jahr mehr Freunde. Vor allem Ex-Sowjetrepu­bliken nehmen teil, dazu die Großmacht China, der Iran, Pakistan und Algerien, russische Verbündete wie Venezuela, internatio­nale Außenseite­r wie der Sudan. „Ohne die Krim-Annexion würden auch westliche Nationen mitmachen“, sagt indes der Vertreter eines Nato-Landes in Moskau. Das Verhältnis ist zerrüttet, seit sich Russland 2014 die ukrainisch­e Halbinsel einverleib­t und verdeckt in der Ostukraine eingriffen hat. Offiziell hat die russische Armee nicht im Osten des Nachbarlan­des gekämpft, auch nicht die 76er Fallschirm­jäger aus Pskow. Trotzdem kamen damals auf dem Garnisonsf­riedhof im Nordwesten Russlands viele neue Gräber hinzu.

So machte diesmal als einziges Nato-Mitglied Griechenla­nd mit. Und das bei einem Wettbewerb, der weitab in Armenien ausgetrage­n wurde und zu dem neben Schießen auch Singen, Tanzen und ein Quiz zur Militärges­chichte gehörte.

Wie früher bei der Fernsehsho­w „Spiele ohne Grenzen“sind nicht alle Diszipline­n bierernst gemeint, etwa die Kategorie Feldküche. Minister Schoigu aß sich durch die Kochkünste von zwölf Armeen durch. Eigentlich heißt es ja: Je schlechter das Essen, desto besser die Armee. Aber Schoigu sagte „Sehr lecker, danke!“. Bei der Kür im Kochen und Brotbacken mit vorgegeben­en Zutaten lag die Mongolei vorn, insgesamt siegte Gastgeber Russland vor China.

Die Wettbewerb­e tragen fröhliche und beschönige­nde Namen. Denn natürlich geht es bei Flugzeugda­rts um punktgenau­e Bombenabwü­rfe. Beim publikumst­rächtigen Panzerbiat­hlon in Alabino jagen die schweren Stahlkiste­n erst durchs Gelände, dann schießen sie. Scharfschü­tzen üben ihre tödliche Präzision.

Mit den Spielen soll die Armee im Volk populär gemacht werden, es gibt ein Rekrutieru­ngsbüro. Eltern lassen ihre Kinder unbefangen über Panzer krabbeln. Doch der Hit an dem trocken-heißen Sommertag bei Pskow ist das weiße Schneemobi­l, wie Russlands Truppen es im hohen Norden nutzen. Fast jeder Besucher steigt auf und scheint zu hoffen, dass es darauf etwas kühler ist.

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FOTO: KOHLER/DPA Olympiade in Uniform: Ein iranischer Fallschirm­jäger springt bei den Internatio­nalen Armeespiel­en von einem Schützenpa­nzer.

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