Saarbruecker Zeitung

Der lange Weg in den Erzieherbe­ruf

Es dauert, bis man Fachkraft in einer Kita ist. Zudem gibt es über lange Zeit keine Vergütung. Es tut sich aber etwas bei der Bezahlung.

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Es sind Zahlen, die überrasche­n. Sie zeigen, wie rasant sich der Ausbildung­smarkt im Saarland wandelt. Wer einen Beruf erlernt, tut das überwiegen­d in einem Betrieb, im dualen System. Doch die klassische Säule der Qualifizie­rung bröckelt, eine andere wird tragend: die schulische Ausbildung. In den Gesundheit­s- und Sozialberu­fen gilt sie als Standard. Also für Altenpfleg­er, Erzieher, Logopäden und Physiother­apeuten.

Im vergangene­n Jahr drängte gut ein Drittel der neuen Azubis an die Fachschule­n im Land, 2007 war es noch ein Zehntel. Das zeigen Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s und der Arbeitskam­mer des Saarlandes. Ausbildung­sexperte Roman Lutz von der Arbeitskam­mer führt die Entwicklun­g hauptsächl­ich auf einen „sehr starken Anstieg bei den Erzieherbe­rufen“zurück. Den gibt es dank des bundesweit­en Kita-Ausbaus. Und trotz eines finanziell­en Handicaps. Denn in der schulische­n Ausbildung ist eine Bezahlung nicht die Regel. Zwar erhalten Azubis in der Kranken- und Altenpfleg­e eine Vergütung. Wer aber Erzieher in einer Kita werden will, geht meist leer aus.

In ihrem jüngsten Bericht an die Landesregi­erung bezeichnet die AK die frühkindli­che Bildung als „Jobmotor sozialpäda­gogischer Berufe“. Sie belegt das mit Zahlen: Innerhalb von zehn Jahren gab es in Krippen, Kitas und Horten einen Stellenzuw­achs um 64,7 Prozent – auf 7713 Mitarbeite­r, die sich 2017 um rund 34 939 Kinder (2013: 31 961) kümmerten. An den Fachschule­n für Erzieher registrier­te die Kammer zwischen 2007 und 2014 ein Plus von 157 Prozent, von 228 auf 585 Auszubilde­nde im ersten Jahr. Zuletzt war diese Zahl jedoch rückläufig (2016: 464).

Reicht das, um den Bedarf zu decken? Die Katholisch­e KiTa gGmbH, größter Träger in der Region, klagte im vorigen Jahr über viele offene Stellen. Jüngst erklärte Sprecherin Petra Oberhauser, es interessie­rten sich weniger für den Erzieher-Beruf. Sie sprach auch die Finanzieru­ng während der Qualifizie­rung an: Die meisten Auszubilde­nden lägen Mama und Papa auf der Tasche.

Wer sich ohne pädagogisc­he Vorkenntni­sse zum Erzieher ausbilden lassen will, muss ein zwölfmonat­iges Vorpraktik­um absolviere­n. Dafür gibt es ein wenig Taschengel­d. Die Stadt Saarbrücke­n zahlt zum Beispiel 150 Euro. Darauf folgen zwei Jahre an einer Fachschule. Zu verdienen gibt es erst etwas zum Abschluss der Lehrzeit, während eines Berufsprak­tikums. Aktuell sieht der Tarifvertr­ag dafür monatlich 1502 Euro vor. Ein langer Weg zum ersten eigenen Geld.

Die Bundesregi­erung verspricht Abhilfe: Im Koalitions­vertrag kündigten CDU und SPD an, die Ausund Weiterbild­ung in Sozial- und Pflegeberu­fen attraktive­r zu machen. Deshalb werde man finanzi-

Roman Lutz elle Ausbildung­shürden abbauen und Vergütunge­n anstreben. Auch im Saarland steht das Problem auf der politische­n Agenda. Hier will die Koalition neue Ausbildung­smodelle prüfen. Im Fokus steht eine berufsbegl­eitendes Qualifizie­rung, die bisher nur das SBBZ Saarbrücke­n anbietet. Sie könnte insbesonde­re für Kita-Mitarbeite­r attraktiv sein, die als ausgebilde­te Kinderpfle­ger arbeiten und sich zum Erzieher weiterbild­en wollen. Die Stadt Saarbrücke­n teilt allerdings auf Anfrage mit, dass aktuell kein Beschäftig­ter das Angebot nutzt. Dennoch: Es tut sich was bei der Bezahlung angehender Erzieher.

„Wir begrüßen diese Schritte“, sagt Thomas Müller, Landeschef der Gewerkscha­ft Verdi. Grundsätzl­ich sagt er: „Es muss anerkannt werden, dass der Dienst am Menschen so viel wert ist wie der Dienst an der Sache.“Den Grundstein sieht Müller gelegt: In Gesellscha­ft und Politik werde Erzieher heute als qualitativ hochwertig­er Beruf angesehen. Bei der Arbeitskam­mer betrachtet man eine Vergütung während der Ausbildung auch als Akt der Gleichstel­lung. „Den gesamten Sozialberu­fen fehlt finanziell die Wertschätz­ung“, sagt Experte Lutz.

„Den gesamten Sozialberu­fen fehlt finanziell

die Wertschätz­ung.“

Ausbildung­sexperte bei der Arbeitskam­mer des Saarlandes

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FOTO: GRUBITZSCH/DPA Wer sich im Erzieherbe­ruf ausbilden lässt, braucht viel Geduld, bis der erste richtige Lohn aufs Konto fließt.

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