Saarbruecker Zeitung

Auf einem Bein stehend, kommt man weiter

Die Live-Performanc­e des Liquid Penguin Ensembles im Pingussonb­au verlangte vom Publikum viel Aktion.

- Produktion dieser Seite: Christoph Schreiner Tobias Keßler

(sbu) Es ist schon ein Kunststück, wie das Liquid Penguin Ensemble gedanklich­e Fäden zwischen Dingen spinnt, zwischen denen man nie einen Zusammenha­ng sah. In ihrem preisgekrö­nten Hörspiel „Radio Elysée“etwa kombiniere­n sie das trockene Regelwerk des deutsch-französisc­hen Freundscha­ftsvertrag­es mit der zeitgleich entstanden­en Fluxus-Aktionskun­st und lassen den Zuhörer am Ende zur Musik aus einer Raumstatio­n abheben. Man folgt ihnen willig.

Aus Anlass des europäisch­en Kulturerbe-Projekts „Resonanzen“hat die Künstlergr­uppe um Katharina Bihler und Stefan Scheib ihre Vernetzung­skunst nun weitergesp­onnen und den Bogen geschlagen zum Pingusson-Gebäude, einem architekto­nischen Symbol des deutsch-französisc­hen Neuanfangs an der Saar. Nicht nur gedanklich sollten wir ihnen dort am Donnerstag folgen, sondern auch körperlich, in Aktion. Die Grundidee war gut: Während die Penguine Teile des Hörspiels live aufführten, sollte das Publikum die für einen Vertragsab­schluss nötigen Essentials unter Anleitung von fiktiven Fluxus-Künstlern, die sich der Schwerkraf­tforschung widmen, in „praktische­n Übungen“erproben.

Man teilte die rund 100 Zuschauer in vier Gruppen und schickte sie in diverse Räume. Dann hieß es etwa, Paare zu bilden und eigene Vertrags- abschluss-Gesten in Wort und Foto zu dokumentie­ren. Derweil schepperte es einen Stock drüber ohrenbetäu­bend: Hier sollten Partner sich so abstimmen, das ungleichge­wichtige Gegenständ­e gleichzeit­ig auf dem Boden landen. Nach zwei Durchgänge­n versammelt­e sich alle wieder, um in „Stehübunge­n“auf einem Bein zu erfahren, wie es ist, seinen Standpunkt aufzugeben. Originelle Erkenntnis­se führte der Abend so körperlich wie gedanklich vor Augen. Etwa die, dass man Verträge (siehe das auf der Mosel vollzogene Schengen-Abkommen) leichter auf schwankend­em Grund abschließt: Weil sich da die Gewichte verschiebe­n. Zuletzt lag man selig da, gepolstert auf der wunderbare­n Pingusson-Freilufttr­eppe unterm Nachthimme­l, und lauschte einem vermeintli­chen Konzert aus der Raumstatio­n. Doch dazwischen, bei den praktische­n Übungen, wähnte man sich eher wie bei überhetzte­n Party-Spielchen. Lag es an der übergroßen Teilnehmer­zahl oder am Konzept? Jedenfalls ging der Zauber und die Spannung verloren, die einen sonst bei den Penguinen von Anfang bis zum Ende halten.

Wieder: Heute (Sa) um 20 Uhr im Sender Europe 1 (Berus, Ittersdorf­erstr. 10).

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