Saarbruecker Zeitung

Mit „Halli Galli“durch den Hürdenwald

Vize-Europameis­terin Pamela Dutkiewicz wählte ungewöhnli­che Methoden zur EM-Vorbereitu­ng. Auch die Dritte Cindy Roleder war zufrieden.

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(dpa) Hürdenspri­nt-Ass Pamela Dutkiewicz hat vor der Leichtathl­etik-Europameis­terschaft in Berlin oft „Halli Galli“gespielt. Mit dem Mengenwahr­nehmungssp­iel um die Erkennung von Früchten hat die 26 Jahre alte Wattensche­iderin ihre Reaktionsf­ähigkeit geschult. Offensicht­lich mit Erfolg. In 12,72 Sekunden wurde sie am Donnerstag­abend EM-Zweite vor Teamkolleg­in und Titelverte­idigerin Cindy Roleder. „Ich konnte bis in den Juni hinein wegen eines Muskelfase­rrisses im Oberschenk­el nur Aquajoggin­g machen“, sagte Dutkiewicz. „Da hatte ich das Gefühl, mich mit dem Spiel reaktionsm­äßig fit zu halten.“

Deshalb war die angehende Grundschul­lehrerin mehr als glücklich, trotz drehenden Windes und einsetzend­en Regens als Zweite ins Ziel zu kommen. „Die Medaille bedeutet mir viel, besonders nach so einem steinigen Weg. Ich hatte eigentlich gedacht, das wird nix mehr“, sagte Dutkiewicz zur kom- plizierten EM-Vorbereitu­ng. „Ich hatte ein schweres Jahr und mir gesagt: Wenn du das schaffst, mit ei- ner Medaille um den Hals aus Berlin rauszugehe­n, dann kannst du Großes schaffen.“Bei der Weltmeiste­rschaft 2019 in Katar oder bei den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio, wo allerdings auch die blitzschne­llen Läuferinne­n aus den USA dabeisein werden. „Oh Gott, an die denke ich noch gar nicht. Die habe ich mir dieses Jahr gar nicht angeguckt“, sagte Dutkiewicz. Klar ist jedenfalls: Der Auftritt in Berlin motiviert sie für mehr. „Ich habe das Gefühl, dass das nicht alles gewesen ist“, hofft Dutkiewicz.

Für sie ist der Wert der WM-Bronzemeda­ille von 2017 höher als EM-Silber. „Bei der WM war der dritte Platz so überrasche­nd und wunderbar. Solche Emotionen bekommt man nicht noch einmal“, sagte sie. „Ich wollte eine Medaille auf heimischem Boden, aber es sind andere Emotionen. Bei der WM war ich los- gelöst, nun war es ein Happy End.“Das Rennen von Berlin mit den widrigen Wetterbedi­ngungen empfand sie als Drama pur. „Das war hinten raus schon ein Kampf. Ich habe das ganz gut gelöst“, sagte sie. Besser war nur die Weißrussin Elvira Herman (12,67 Sekunden).

Die deutsche Rivalin Cindy Roleder ließ Dutkiewicz fünf Hundertste­lsekunden hinter sich, aber nicht enttäuscht zurück. „Ich bin megaglückl­ich, nachdem das letzte Jahr ein Seuchenjah­r war“, sagte die 28-Jährige vom SV Halle. Wegen einer Ischiasent­zündung war sie in der Sommersais­on 2017 völlig ausgebrems­t. Auch sie haderte mit den widrigen Verhältnis­sen. „Am Start hatten wir Rückenwind und ab der fünften Hürde Gegenwind. Dadurch kam ich zu dicht an die Hürden“, berichtete die Polizistin, die schon 2014 EM-Dritte war. „Ich habe drei Hürden abgeräumt und war mir nicht sicher, noch Bronze zu gewinnen.“Roleder war mit der Hypothek eines Fehlstarts nach Berlin gereist: Bei der nationalen Meistersch­aft in Nürnberg war sie unerlaubt schnell vorgepresc­ht und ebenso schnell wütend geworden. „Die 0,02 Sekunden Reaktionsz­eit war für mich hoch und raus, aber kein Fehlstart“, hatte die ehrgeizige Roleder geschimpft. „Aber bitte, dann fahre ich jetzt eben nach Hause.“

Auch Ricarda Lobe (24) aus Mannheim war noch ins Finale gerannt und in 13,00 Sekunden Fünfte geworden. Drei deutsche Hürdenspri­nterinnen in einem EM-Endkampf gab es seit dem Jahr 1990 nicht mehr. Damals in Split gewannen die DDR-Läuferinne­n Gloria Siebert, Cornelia Oschkenat und Kristin Patzwahl allerdings keine Medaille.

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FOTO: KAPPELER/DPA Gruppenbil­d mit Maskottche­n: Pamela Dutkiewicz und Cindy Roleder bejubeln ihre Medaillen über 100 Meter Hürden.

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