Zu Gast im Garten Eden der Rotweine
Im Zentrum der Toskana, zwischen Florenz und Siena, liegt das G ebiet Chianti. Hier werden heute edle Tropfen angebaut.
GREVE So wie der Wein heißt auch die sparsam besiedelte Landschaft im Zentrum der Toskana, ein Garten Eden, den der Mensch im Laufe von Jahrhunderten mit seiner Hände Arbeit geformt hat: Chianti. Zwischen dem Grün von Wäldern und Zypressensäulen, Feldern und Olivenhainen überziehen riesige Rebflächen, in deren schnurgeraden Reihen die Trauben an knorrigen Stöcken hängen, das zart gewellte Land. Schmale Straßen winden ihr graues Band um die Hügel und führen zu einsamen Landhäusern und alten Dörfern, die auf den Anhöhen residieren.
Gern begeben sich Touristen auf eine Reise durch den Mikrokosmos des Chianti, dessen weltbekannter Rotwein sein angekratztes Image vergangener Jahrzehnte als süffiger Tropfen von einfacher Qualität längst aufpoliert hat. Zwischen Florenz und Siena liegt das Kerngebiet des Chianti, wo der Chianti Classico seine Heimat hat. Ein Großteil seiner Erzeuger ist in einem Verband organisiert, dessen Markenzeichen der Schwarze Hahn ist und der mit Argusaugen über die Einhaltung diverser Auflagen bezüglich verwendeter Rebsorten, Alkoholgehalt oder Lagerung wacht.
Im Anbaugebiet des Chianti Classico, der hauptsächlich aus der roten Sangiovese-Traube besteht, liegen zahlreiche Weingüter, die zum Verkosten ihrer Qualitätsweine einladen. So auch das Castello di Verrazzano, das nahe Greve auf der Spitze eines Hügels ruht, wo in grauer Vorzeit schon die Etrusker, gefolgt von den Römern, siedelten.
Knapp zwei Kilometer führt ein Weg von der Straße durch den Wald hinauf zu dem wunderbar restaurierten Herrenhaus, das über ein weitläufiges Anwesen blickt. Die Namen gebende Familie starb mit dem letzten Verrazzano 1819 aus. Heute ist hier Luigi Giovanni Cap- pellini wie schon sein Vater Herr über 230 Hektar Land, wobei nur 72 Hektar mit Reben und Olivenbäumen bepflanzt sind. „Der Rest ist Wald“, so der Padrone, „denn die Landschaft soll natürlich bleiben.“
Die Leidenschaft der Cappellinis für ihren in den 1950er Jahren erworbenen Besitz, dessen jahrhundertelange Tradition des Weinkelterns sie perfektioniert haben, ist nicht zu übersehen. Besucher können zu festen Terminen an geführten Besichtigungen teilnehmen und einen Blick hinter die Kulissen des erfolgreichen Unternehmens werfen. Bei der aus der Spätrenaissance stammenden Villa bleiben die Türen für die Öffentlichkeit allerdings verschlossen, nur ihr Garten ist Teil des Rundgangs – ein malerischer Fleck mit einer Zypressenallee, die das Tor mit der Haus- tür verbindet, einem riesigen Wasserbecken, in dem ein Springbrunnen plätschert, mit duftenden Zitronenbäumen und Rosen, die sich an Steinmauern hochziehen.
Über eine Terrasse, von der sich großartige Aussichten bieten über Wald, Olivenhaine und Weinberge, gelangen die Besucher ins Allerheiligste: Im schummrigen, verwinkelten Gewölbekeller aus dem 16. Jahrhundert reift der Wein in riesi- gen Eichenfässern, füllen Olivenöl hübsche Terrakotta-Amphoren und Balsamico kleine Fässchen, und dort liegt die private Weinkollektion des Besitzers unter einer dicken Staubschicht begraben. Zurück im Tageslicht geht’s dann ans Probieren, wobei unter anderem ein Chianti Classico und Chianti Classico Riserva im Glas einen ohnehin schon gelungenen Tag vervollkommnen.