Saarbruecker Zeitung

Minister Altmaier wegen zäher Energiewen­de in der Kritik

Die Kritik am Wirtschaft­sminister wird lauter, er geht jetzt in die Offensive.

- VON ANDREAS HOENIG

BERLIN (dpa) Es war einer dieser typischen Altmaier-Sätze. „Ich verspreche Ihnen: Wenn ich ein halbes Jahr im Amt bin, werde ich jede problemati­sche Leitung persönlich kennen und besucht haben“, sagte der Wirtschaft­sminister in seiner bisweilen jovialen Art. Das war im März im Bundestag, kurz nach seinem Amtsantrit­t. Das Protokoll verzeichne­t „Heiterkeit“. Die Botschaft: Altmaier kümmert sich um die Energiewen­de und den Netzausbau.

Für den Saarländer aber dürfte es schwierig werden, das Verspreche­n mit den Leitungen zu halten. Der CDU-Mann ist fünf Monate im Amt – und steht in der Energiebra­nche zunehmend in der Kritik. Hinter den Kulissen ist von „Stillstand“die Rede. Auch beim Koalitions­partner SPD wird man ungeduldig. „Durch sein zögerliche­s Handeln sind Minister Altmaier leider wichtige Monate verloren gegangen“, kritisiert der Energiepol­itiker Bernd Westphal.

Altmaier will nun in die Offensive gehen. Diese Woche steht eine dreitägige „Netzausbau­reise“mit Stationen in Nordrhein-Westfalen und Niedersach­sen an. Der Minister besucht Kraftwerke, Leitungen und Erdkabel-Baustellen und sucht den Bürgerdial­og. Vor allem will er morgen in Bonn zusammen mit der Bundesnetz­agentur einen Aktionspla­n vorstellen, um den Ausbau der Netze zu beschleuni­gen – die Achillesfe­rse der Energiewen­de. Es geht um Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n und vor allem um Akzeptanz in der Bevölkerun­g. Der Ausbau der erneuerbar­en Energien ist enorm vorangesch­ritten, ihr Anteil soll weiter massiv steigen. Bis 2022 wird das letzte Kernkraftw­erk abgeschalt­et sein. Die Entwicklun­gen haben massive Folgen für das Stromnetz, das an seine Kapazitäts­grenze zu kommen droht.

Der Windstrom wird vor allem an den Küsten produziert, er muss in die großen Industriez­entren im Süden und Südwesten transporti­ert werden. Dafür werden neue Stromleitu­ngen gebraucht, es geht um Tausende von Kilometern. Die zentralen neuen Stromautob­ahnen Südlink und Südostlink, die Milliarden kosten, sollen bis 2025 fertig sein. Das Planfestst­ellungsver­fahren steht noch aus, erst dann wird über den genauen Verlauf der Trassen entschiede­n werden, die meist unterirdis­ch verlaufen. Diese Erdkabel kamen vor allem auf Druck Bayerns. Das ist zwar deutlich teurer, soll aber die Akzeptanz bei der Bevölkerun­g erhöhen – Stichwort: „Monstertra­ssen“.

Die Genehmigun­gsverfahre­n für die zentralen Stromautob­ahnen liegen laut Bundesnetz­agentur im Zeitplan. Da sind aber noch die zig anderen neuen Leitungen. Und vor allem dort hakt es. „Es geht leider nur im Schneckent­empo voran“, sagt Stefan Kapferer vom Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft. Mit Blick auf das Bundesbeda­rfsplanges­etz seien von ursprüngli­ch bis Ende 2017 fertigzust­ellenden 1435 Kilometern Stromleitu­ngen nach dem ersten Quartal 2018 gerade 150 Kilometer realisiert worden. „Zu den größten Problemen gehört, dass einige politische Akteure vor Ort Stimmung gegen den dringend notwendige­n Leitungsau­sbau machen, statt für ihn zu werben“, schimpft Kapferer.

Auch in Cloppenbur­g in Niedersach­sen hat sich längst Protest formiert. Rolf Fahrenholz, Vorsitzend­er der Bürgerinit­iative „Cloppenbur­g unter Spannung“, sagt: „Wir sind für die Energiewen­de, allerdings ist die Umsetzung falsch. Wenn wir hier Riesen-Strommaste­n hingesetzt bekommen, dann müssen noch unsere Kinder und Enkel damit leben. Das interessie­rt aber die Bundespoli­tik wenig.“Am Donnerstag kann Fahrenholz das dem Wirtschaft­sminister direkt sagen – Altmaier will zum Abschluss seiner Reise in Cloppenbur­g mit Bürgern reden.

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FOTO: DPA/KOALL Kümmert sich Peter Altmaier zu wenig um die Energiewen­de?

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