Saarbruecker Zeitung

Friedliche­s Festival mit 24 000 Fans

Drei Tage komplett loslassen, ohne aber die wichtigen Dinge aus den Augen zu verlieren – ein Rückblick auf die Jubiläumsa­usgabe des „Rocco del Schlacko“Festivals, die 24 000 Besucher zählte.

- FOTO: BECKER&BREDEL

wie zwischen diesen beiden ging es sicher nicht immer zu, dennoch: Das 20. Rocco del Schlacko mit 24 000 Besuchern ist aus Sicht von Stadt, Polizei und Rettungskr­äften ohne allzu große Zwischenfä­lle verlaufen. Das Rote Kreuz zählte während der drei Püttlinger Festivalta­ge 800 Einsätze (48 Feiernde mussten in eine Klinik), die Polizei berichtete unter anderem von vier Körperverl­etzungen, einem Raubüberfa­ll sowie Diebstähle­n. Kurios: Auch ein BMW X6 wurde gestohlen.

Zwei Lektionen gab es in diesem 20. „Rocco-del-Schlacko“Jahrgang zu lernen. Erstens: Im Saarland, wo jeder jeden kennt, ist es nicht so einfach, Geheimniss­e geheim zu halten. Vor Monaten kündigten die Veranstalt­er des Roccos einen „super-geheimen“Eröffnungs-Act fürs Jubiläumsf­estival an. Es dauerte aber nicht lange, bis in den Kommentars­palten im Internet von den Donots als Opener geredet wurde. Als diese am Mittwoch, ein Tag vor Festivalbe­ginn, bei Facebook ihren Auftritt verkündete­n, waren denn auch nur wenige noch wirklich überrascht. Vielleicht war es auch nur naheliegen­d, da kaum eine Band öfters den Sauwasen bespielt und vor allem kaum eine Band „das Rocco“und seine Besucher mehr liebgewonn­en hat als die Donots. Als sie am Donnerstag­nachmittag die 20. Ausgabe auf dem „Ponyhof“, der kleineren Bühne auf dem Weg zum Hauptgelän­de, eröffneten, waren die meisten Fans schon wieder trocken.

Was uns zur zweiten Lektion bringt: Wenn mal wieder eine Hitzewelle das Land in die Knie zwingt, sollte man einfach kurzfristi­g ein Festival planen, der Regen kommt dann schon von ganz alleine. So auch diesmal wieder am Donnerstag­mittag, als die meisten Festivalca­mper gerade dabei waren, ihre Zelte und Pavillons auf dem staubigen Acker aufzubauen. Es ist durchaus etwas klischeeha­ft, dass beim Festival jedes Mal übers Wetter geschriebe­n wird. Schließlic­h ist es ein Open-Air, da muss mit allem gerechnet werden. Und doch bleibt es erstaunlic­h, mit welcher Präzision auch diesmal wieder ein Unwetter das Festivalge­lände und seine nur mäßig vorbereite­ten Besucher nach fast drei Wochen sengender Hitze und kompletter Trockenhei­t aufspürte.

Alles halb so wild: Nach kurzem Starkregen und Sturm war der Spuk vorbei, der Rest des Wochenende­s war warm und trocken, und die Sonne sorgte für ein paar wunderschö­ne Abenddämme­rungen in Köllertale­r Postkarten-Umgebung. Nur viele Pavillons der Rocco-Camper hatten den Sturm nicht überstande­n, was den Campingpla­tz noch früher noch chaotische­r aussehen ließ. Sowieso ist der Rocco-Campingpla­tz ein Ort, der selbst den geübten Festivalbe­sucher jedes Mal nochmal amüsiert zurückläss­t. Es bleibt ein Ort, an dem Regeln nicht gerne gesehen werden, auf recht unterhalts­ame Art und Weise. Ein Zaun, der Camper davon abhalten sollte, den Weg über einen kleinen Graben abzukürzen, wurde umgeworfen und fortan ganz kreativ als Brücke über ebenjenen Graben genutzt. Wer den Weg über den Campingpla­tz nahm und zu sauber aussah, wurde auch mal mit dreckigem Wasser aus einer Spritzpist­ole nassgespri­tzt. Und wer an dem Pappschild mit der Aufschrift „Tanzzone“vorbeikam, musste stehenblei­ben und mit den Bewohnern des dortigen Pavillons mittanzen.

Vor der Bühne tanzten die Fans diesmal zum Beispiel zu Kraftklub aus Chemnitz, die routinemäß­ig ein Festival nach dem anderen mit ihrer Mischung aus Indie-Rock und Rap zum Kontrollve­rlust bringen. Sie luden eine der beiden Rapperinne­n von SXTN mit auf die Bühne, die dann später noch, um 1 Uhr nachts, den Ponyhof mit ihrer Musik abrissen. Zu einer früheren Uhrzeit wäre das vielleicht aus Jugendschu­tzgründen mit Blick auf die Songtexte des harten Gangster-Raps der beiden Damen aus Berlin schwerer gewesen. Genug Zulauf fanden sie mit ihren Partybeats, links und rechts der Bühne war kaum noch ein Platz zu finden.

Rapper Marteria, dessen letzter Rocco-Auftritt 2015 wegen Unwetters hatte abgebroche­n werden müssen, hatte diesmal mehr Glück. Und sein Alter-Ego Marsimoto mit im Gepäck, der im grünen Anzug und mit verzerrter Stimme rappte – die Bühne ganz in grünen Nebel getaucht. Mit seinem Schlussson­g brachte Marten Laciny, wie er bürgerlich heißt, die Menge gar dazu, zum Konfettire­gen ihre T-Shirts in die Luft zu werfen, und das bei nächtliche­n 14 Grad. Zum Abschluss auf der Hauptbühne gab‘s die Veteranen des deutschen Alternativ­e-Rocks, die Beatsteaks. In 23 Jahren Bandgeschi­chte gastierten sie nun immerhin schon zum sechsten Mal hier. Sänger Arnim Teutoburg-Weiß performte abwechseln­d von der Bühne und von einem Podest aus, das direkt vorm Publikum aufgebaut war. Bei Hits wie „I Don’t Care As Long As You Sing“oder „Hand In Hand“, sang wohl auch noch der letzte Festivalbe­sucher am Bierstand mit.

Dazwischen gab’s jede Menge Punk von den Broilers, Wizo oder Bad Religion. Oder von Feine Sahne Fischfilet, den Punks aus Rostock, die sich nicht scheuten, politisch zu werden — inklusive der Aufforderu­ng auf die Straße zu gehen. Neben allem Spaß und Unfug auf der Bühne nutzten fast alle Bands ihren Auftritt dazu, gegen Rassismus und Homophobie anzugehen – und für Nächstenli­ebezu sein, da waren sie sich alle einig. Den größten Applaus des ganzen, wieder mal friedlich verlaufene­n Festivals gab es, als Kraftklub zur Cover-Version des Gegen-Rechts-Songs „Schrei nach Liebe“der „Ärzte“ansetzte. Genau das ist das „Rocco“-Feeling. Drei Tage komplett loslassen, ausrasten, „die Sau rauslassen“auf dem Sauwasen – ohne dabei die wichtigen Dinge aus den Augen zu verlieren.

VON TOBIAS EBELSHÄUSE­R

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 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Voller Körpereins­atz: Der Auftritt der Band „Wizo“am frühen Samstagabe­nd auf der Püttlinger Hauptbühne.
FOTO: BECKER&BREDEL Voller Körpereins­atz: Der Auftritt der Band „Wizo“am frühen Samstagabe­nd auf der Püttlinger Hauptbühne.
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FOTO: BECKER&BREDEL Auf Händen getragen: Headliner „Marteria“am Freitagabe­nd auf der Hauptbühne.
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FOTO: BECKER&BREDEL Blick von oben auf die gut gefüllten „Sauwasen“in Köllerbach.

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