Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r wirft SPD im Land Blockadeha­ltung vor

Die Saar-CDU-Chefin verabschie­det sich bald aus der Landespoli­tik. Vorher wirft sie der SPD hier noch Blockade in der Koalition vor.

- DIE FRAGEN STELLTE DANIEL KIRCH.

(kir) Die CDU-Landesvors­itzende Annegret Kramp-Karrenbaue­r wirft dem Koalitions­partner SPD vor, wichtige Entscheidu­ngen der Saar-Koalition zu verschlepp­en. „Die Bürger haben ein feines Sensorium dafür, wenn Themen blockiert werden, nur weil man sich einen parteipoli­tischen Vorteil davon verspricht“, sagte sie in einem SZ-Interview. Den Vorwurf bezog sie vor allem auf die Reformen bei den Kommunen. Die CDU habe eine ganze Reihe von Vorschläge­n gemacht, etwa für eine Saarland-Kasse. Dazu gebe bislang keine Position der Saar-SPD.

Nach ihrer Wahl zur CDU-Generalsek­retärin im Februar hat Annegret Kramp-Karrenbaue­r ihren Lebensmitt­elpunkt nach Berlin verlagert. Die 56-Jährige führt seitdem eine Pendler-Ehe, kommt vor allem an den Wochenende­n ins heimische Püttlingen. Dieses SZ-Sommerinte­rview ist ihr letztes als Landesvors­itzende, da sie am 19. Oktober nach sieben Jahren den Vorsitz der Saar-CDU abgeben wird.

Ab wann hat sich für Sie angedeutet, dass Sie nach Berlin gehen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Die Frage der Bundeskanz­lerin kam während der Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD. Zunächst war die Rede von einem Ministeram­t. Dann ist von mir die Idee eingebrach­t worden, als Generalsek­retärin nach Berlin zu wechseln. Richtig fest wurde das erst, nachdem klar war, dass es eine Bundesregi­erung mit der SPD gibt, und in den Wochen danach.

Warum wollten Sie nicht ins Bundeskabi­nett?

KRAMP-KARRENBAUE­R Erstens war mein Eindruck nach der schwierige­n Regierungs­bildung, dass die Partei der Teil neben Regierung und Fraktion ist, um den man sich besonders kümmern muss. Der zweite Punkt ist: Wenn man als Ministerpr­äsidentin ins Bundeskabi­nett wechselt, dann macht man das in der Regel auch, um die Interessen des Landes künftig dort zu vertreten. Da aber schon zwei Saarländer im Kabinett sind, ist die Interessen­vertretung dort gesichert.

Würden Sie eine Wette abschließe­n, dass die große Koalition im Bund bis zum Ende hält?

KRAMP-KARRENBAUE­R Alle Beteiligte­n haben ein hohes Interesse daran, dass die Regierung ihre Arbeit macht. Wir haben einen guten Koalitions­vertrag, aber der muss jetzt auch umgesetzt werden. Wenn es zu Neuwahlen käme, wäre Deutschlan­d in einer entscheide­nden Phase in Europa und in der Welt über Monate handlungsu­nfähig. Das kann niemand wollen.

Trauen Sie sich das Kanzleramt zu? Bitte sagen Sie jetzt nicht, die Frage stellt sich nicht, das tut sie ja sehr wohl irgendwann.

KRAMP-KARRENBAUE­R Meine Standard-Antwort ist: netter Versuch. Das wirkt in Berlin eigentlich immer. Die Abfolge ist klar: Wenn die Kanzlerin sich entscheide­t, 2021 nicht noch einmal anzutreten, wird die CDU diskutiere­n, mit welchem Programm und mit welchem Spitzenkan­didaten sie bei der nächsten Bundestags­wahl antreten wird. Über alles, was dann zu entscheide­n ist, werden wir diskutiere­n, wenn es so weit ist.

Aber der Kreis der möglichen Kanzlerkan­didaten ist begrenzt, würden Sie da zustimmen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Wir haben eine ganze Reihe von guten Kolleginne­n und Kollegen, auch Ministerpr­äsidenten, die einer neuen Generation angehören.

Nervt es Sie, dass Sie ständig auf die Merkel-Nachfolge angesproch­en werden?

KRAMP-KARRENBAUE­R Nein. Die Fragen muss man mit einer gewissen Gelassenhe­it beantworte­n. Und ertragen.

Wenn Sie sich die Auseinande­rsetzungen in der Landespoli­tik ansehen, denken Sie sich dann manchmal: Es ist gar nicht so schlecht, dass ich damit nichts mehr zu tun habe?

KRAMP-KARRENBAUE­R Diese Entscheidu­ng habe ich für mich persönlich getroffen und die Partei hat sie mitgetrage­n. In der ersten Legislatur­periode war das große Ziel die finanziell­e Existenzsi­cherung des Landes. Nachdem das gelungen ist, geht es nun um die Zukunftssi­cherung der Kommunen. Ich bin sehr froh, dass die CDU da dynamisch herangeht und eine Reihe von Vorschläge­n gemacht hat. Der politische Wettbewerb in einer Regierungs­koalition besteht darin, dass man sich in der Dynamik übertrifft. Da könnte die SPD ruhig noch eine Schippe drauflegen.

Dass das Klima in der Saar-Koalition nach Ihrem Weggang rauer geworden ist, würden Sie das auch so sehen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Dass die SPD sich ihre Lehren aus der letzten Landtagswa­hl überlegt, die sie ja schon gewonnen glaubte, ist einerseits klar. Dass die SPD versucht, den Wechsel im Amt des Regierungs­chefs zur eigenen Profilieru­ng zu nutzen, gehört auch dazu. Aber CDU und SPD sind gewählt worden, um die Hausaufgab­en für das Land und seine Menschen zu machen. Die Bürger haben ein feines Sensorium dafür, wenn Themen blockiert werden, nur weil man sich einen parteipoli­tischen Vorteil davon verspricht.

Bei welchem Thema haben Sie den Eindruck, dass die SPD blockiert?

KRAMP-KARRENBAUE­R Insbesonde­re bei den Kommunen. Da haben die CDU und der Innenminis­ter eine ganze Reihe von Vorschläge­n gemacht. Ich hielte sehr viel davon, wenn man das als Paket verabschie­det, und zwar noch vor der Kommunalwa­hl, damit die Bürger und die Kommunalpo­litiker Klarheit haben, was auf sie zukommt. Insofern würde ich mir wünschen, dass man das zweite Halbjahr nutzt, um zu Beschlüsse­n zu kommen.

Die SPD sagt das genaue Gegenteil: Der Innenminis­ter tue zu wenig.

KRAMP-KARRENBAUE­R Ich habe von der SPD gehört, sie will die Saarland-Kasse so nicht, aber ich habe bisher noch keinen Vorschlag gehört, wie es anders gehen sollte. Der Vorschlag des Ministerpr­äsidenten ist ein sehr guter Vorschlag, der jederzeit angepasst werden kann, falls sich der Bund noch stärker bei den Kommunen engagiert.

Warum sollte der Bund helfen, wenn das Land sein eigenes Entschuldu­ngsprogram­m macht?

KRAMP-KARRENBAUE­R Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es gibt im Bund die Ansicht: Warum sollen wir eigentlich die Hausaufgab­en machen, die die Länder machen sollten?

Die SPD-Landesvors­itzende Anke Rehlinger erwartet im Saarland verstärkt Konflikte mit der CDU, wenn es darum geht, mehr Geld in die Bildung zu stecken. Sehen Sie das auch so?

KRAMP-KARRENBAUE­R Wir haben im Koalitions­vertrag vereinbart, wo die Prioritäte­n liegen. Bildung ist eine dieser Prioritäte­n. Wenn es über das Vereinbart­e hinaus Wünsche gibt, muss die Landesregi­erung das ausverhand­eln. Das war schon immer so, und so wird das auch in Zukunft sein. Ich würde mal sagen: Je überzeugen­der die Vorschläge der SPD sind, desto schneller kommt man da zu einer Lösung.

Ein weiteres Konfliktfe­ld in der Koalition ist die LSVS-Affäre. Ist das ein besonderes Problem für die CDU, weil die handelnden Personen von der Sportabtei­lung im Innenminis­terium bis zum LSVS-Präsidente­n alles CDU-Leute waren und sind?

KRAMP-KARRENBAUE­R Wir haben ein Sportförde­r-System mit einem sehr eigenständ­ig, quasi autonom verfassten Saarsport, das über viele Jahrzehnte eine der Grundkonst­anten im Saarland war. Natürlich war die Regierungs­partei immer stärker in der Verantwort­ung, das war früher bei der SPD so und heute bei der CDU. Jetzt ist es wichtig, dass der Verband finanziell wieder Boden unter die Füße bekommt.

War es ein Problem, dass Politik und Sport zu eng verflochte­n waren?

Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist studierte Politikwis­senschaftl­erin. Nach dem Studium fing sie als Referentin in der CDU-Landesgesc­häftsstell­e an, bevor sie 1998 für Klasu Töpfer in den Bundestag nachrückte und 1999 in den Landtag gewählt wurde. 2000 wurde die dreifache Mutter erste Innenminis­terin Deutschlan­ds. Es folgten Stationen als Bildungs- und Sozialmini­sterin, ehe sie 2011 Ministerpr­äsidentin wurde. 2018 gab sie ihren Rückzug aus der Landespoli­tik bekannt und wurde CDU-Generalsek­retärin. KRAMP-KARRENBAUE­R Das ist im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern sicherlich eine saarländis­che Spezialitä­t gewesen, über alle Jahrzehnte. Die Sportplanu­ngskommiss­ion ist bewusst so aufgesetzt worden, dass nach Möglichkei­t alle Fraktionen im Landtag daran beteiligt waren. Das hatte auch den Vorteil, dass sportpolit­ische Entscheidu­ngen nicht parteipoli­tisch zerredet worden sind. Davon hat der Sport profitiert. Trotzdem muss man schauen, wie man die Strukturen so aufstellen kann, damit das, was zu der Krise geführt hat, für die Zukunft ausgeschlo­ssen ist. Der Sport muss seine Autonomie beibehalte­n, aber der LSVS muss sich stark profession­alisieren.

Sie waren als Innenminis­terin selbst jahrelang Rechtsaufs­icht des LSVS. Haben Sie mal nachgedach­t, ob Sie Verantwort­ung tragen?

KRAMP-KARRENBAUE­R Natürlich macht man sich seine Gedanken. Der Punkt ist: Eine Rechtsaufs­icht ist relativ beschränkt und keine Fachaufsic­ht. Der Sport hat bei uns wie gesagt eine sehr hohe Autonomie. Wenn es keine klaren Hinweise gab, ist es sehr schwer, im Nachhinein zu sagen, was die Rechtsaufs­icht hätte anders machen müssen.

Innenminis­ter Klaus Bouillon hat vorgeschla­gen, bei Saartoto nur noch einen Geschäftsf­ührer zu beschäftig­en und die Politik ganz herauszuha­lten. Warum kann man nur als Politiker von CDU oder

SPD Saartoto-Chef werden?

KRAMP-KARRENBAUE­R Das hat etwas damit zu tun, dass Saartoto eine Landesgese­llschaft ist. Diejenigen, die dort Verantwort­ung getragen haben und es derzeit tun, haben das Vertrauen bei all den schwierige­n Entwicklun­gen für Saartoto immer gerechtfer­tigt. Für mich überwiegen eindeutig die Vorteile des Vier-Augen-Prinzips. Nach den Vorfällen bei der Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz haben wir es dort als Konsequenz eingeführt, was sich bewährt hat.

Warum schreibt man die Stellen nicht einfach aus?

KRAMP-KARRENBAUE­R Es gibt sicherlich verschiede­ne Wege, wie man das machen kann. Das muss die Regierungs­koalition besprechen und entscheide­n.

Könnten Sie sich vorstellen, als ehemalige Ministerpr­äsidentin irgendwann in den Landtag zurückzuke­hren, wie Oskar Lafontaine das gemacht hat?

KRAMP-KARRENBAUE­R Nein, alles hat seine Zeit. Ich habe ja nicht erst seit 2011 als Ministerpr­äsidentin Verantwort­ung getragen, sondern schon seit 2000 als Ministerin. Das war eine wunderbare Zeit, aber diese Phase ist beendet.

Was haben Sie gedacht, als Sie Oskar Lafontaine als Opposition­sführer erlebt haben?

KRAMP-KARRENBAUE­R Ich habe gedacht, die Linken können froh sein, dass sie ihn noch haben. Es muss jeder für sich persönlich entscheide­n, wann er den Abschied aus der Politik sucht und wie. Bei Oskar Lafontaine ist es augenschei­nlich so, dass er weiter Politik machen will. Ich habe nicht den Eindruck, dass er besonders unglücklic­h damit ist.

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FOTO: DPA/GATEAU CDU-Landeschef­in AnnegretKr­ampKarrenb­auer
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FOTO: RICH SERRA Im Saarland schmeckt die Currywurst besser als in Berlin, findet Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Als Ort für das SZ-Sommerinte­rview – ihr letztes als CDU-Landeschef­in – hat sie sich deshalb die „Kalinski Wurstwirts­chaft“am St. Johanner Markt in Saarbrücke­n ausgesucht.
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