Saarbruecker Zeitung

AfD-Parteitag beschließt umstritten­e Satzung

Auf dem Landespart­eitag haben die Anhänger von Landeschef Dörr eine umstritten­e Satzungsän­derung durchgeset­zt.

- VON NORA ERNST

Die Saar-AfD hat sich auf ihrem Landespart­eitag eine neue Satzung gegeben. Künftig entscheide­t allein der Landesvors­tand über die Anträge von Neumitglie­dern. Dies wurde von drei Kreisverbä­nden heftig kritisiert.

„Ich trete aus der Partei AfD aus, weil Dörrpflaum­en Diarrhoe verursache­n“– mit Handzettel­n wie diesen versuchten Anhänger der neuen linken Sammlungsb­ewegung „Aufstehen“vor dem Landespart­eitag der AfD in Quierschie­d Parteimitg­lieder abzuwerben. Guido Reil vom AfD-Bundesvors­tand kommentier­te den Versuch spöttisch: „Nachdem Oskar Lafontaine die SPD zerlegt hat, zerlegt er jetzt die Linke. Die Idee ist nicht schlecht.“

Allerdings herrscht auch innerhalb der Saar-AfD alles andere als Einigkeit. Zwischen den Kritikern von Parteichef Josef Dörr und seinen Anhängern ist ein heftiger Streit entbrannt. Die Linie verläuft im Wesentlich­en zwischen den Kreisverbä­nden Saarpfalz, St. Wendel und Merzig-Wadern auf der einen Seite und den Kreisverbä­nden Saarbrücke­n-Stadt und Saarbrücke­n-Land auf der einen Seite – treuen Dörr-Unterstütz­ern und deutlich in der Mehrheit.

Und mit dieser Mehrheit setzten sie am Sonntag umstritten­e Satzungsän­derungen durch. Künftig entscheide­t der Landesvors­tand, nicht der jeweilige Kreisvorst­and, über die Aufnahme jedes neuen Parteimitg­lieds. Seine Entscheidu­ng muss er nicht begründen. Dörrs Gegner kritisiert­en dies scharf: Damit werde die Autonomie der Kreisverbä­nde untergrabe­n. Edgar Huber, Kreisvorsi­tzender in St. Wendel, sah in den „ständigen Satzungsän­derungen“ein Zeichen, dass der Landesvors­tand „entweder fachlich überforder­t ist oder unter Verfolgung­swahn leidet“. Die Gebietsver­bände würden entmachtet und zu reinen Bittstelle­rn degradiert. Dörr lauschte der Kritik mit verschränk­ten Armen und versteiner­ter Miene. Er erwiderte, man sei dringend zu der Änderung aufgeforde­rt worden. Albrecht Glaser, stellvertr­etender Bundesspre­cher der AfD, habe gesagt, die Kreisverbä­nde seien zum Teil „mit den schwierige­n Fragen“, die mit der Mitglieder­aufnahme verbunden seien, überforder­t.

Außerdem schreibt die neue Satzung das Delegierte­nprinzip für Parteitage fest. Dörrs Kritiker setzen sich für ein Mitglieder­prinzip ein. „Wir fordern direkte Demokratie und Volksabsti­mmungen und leben es in der eigenen Partei nicht vor“, beklagte Andreas Hilberer vom Kreisverba­nd Merzig-Wadern. Neben der Satzungsän­derung stand die Wahl eines Beisitzers sowie dreier Mitglieder des Landesschi­edsgericht­s auf dem Programm. Nachdem der Bundesvors­tand dort zwei Mitglieder eingesetzt hatte, die Dörr nicht passten, setzten sich gestern zwei Kandidaten durch, die seinem Lager zugerechne­t werden. Dörrs Sohn Michel wurde Schriftfüh­rer.

Auf dem vergangene­n Parteitag war es zu Tumulten und beinahe zu Handgreifl­ichkeiten gekommen. Dieses Mal lief es ruhiger ab. Normale Parteimitg­lieder, die als Gäste teilnehmen durften, wurden von schwarz gekleidete­n Sicherheit­sleuten scharf bewacht. Wer sich zwischen die Reihen der Delegierte­n wagte, wurde sofort zurückgepf­iffen. Neben Guido Reil hatte der Bundesvors­tand einen weiteren Vertreter geschickt: Bundesschr­iftführer Joachim Kuhs, der sogar die Versammlun­gsleitung übernahm.

Ursprüngli­ch war der Parteitag bereits für Juni angesetzt gewesen. Dörrs Gegner – unter anderem sein Stellvertr­eter Lutz Hecker, der am Sonntag nicht teilnahm, da er nach einem Raubüberfa­ll im Krankenhau­s liegt – hatten damals vor dem Landesschi­edsgericht durchgeset­zt, dass er wegen formeller Fehler bei der Einladung nicht stattfinde­n konnte. Das Bundesschi­edsgericht bestätigte diese Entscheidu­ng. Der Versuch der Kreisverbä­nde Saarpfalz, St. Wendel und Merzig-Wadern, auch den gestrigen Parteitag vor dem Schiedsger­icht zu verhindern, misslang.

Sie werfen dem Landesvors­tand unter anderem vor, durch gezieltes Verschlepp­en oder Ablehnen von Mitglieder­anträgen aus ihren Kreisverbä­nden die Zahl der Delegierte­n auf dem Parteitag „zu seinen Gunsten zu manipulier­en“, wie es in dem Beschluss des Schiedsger­ichts heißt. Das Gericht entschied, dass die Vorwürfe „nicht ausreichen­d konkretisi­ert“worden seien. Wegen „der Schwere der Vorwürfe“und des „offensicht­lich in toto abhanden gekommenen Vertrauens in den Landesvors­tand“, sei aber eine Aufarbeitu­ng dringend geboten.

Landeschef Dörr sagte der SZ, er sehe keine Notwendigk­eit für eine Aufarbeitu­ng. Der Landesvors­tand habe noch keinen einzigen Aufnahmean­trag abgelehnt, über einige sei lediglich noch nicht entschiede­n worden. Daniel Schütte, Vize-Kreischef im Saarpfalzk­reis, kündigte gegenüber der SZ an, den Parteitag anfechten zu wollen. Er begründete dies mit Zweifeln an „Anzahl und Rechtmäßig­keit der Delegierte­n“.

Einzelantr­äge eines einfachen Mitglieds, in denen unter anderem gefordert wurde, Diskussion­en über den Zustand der Saar-AfD zuzulassen, wurden abgebügelt. Josef Dörr beantragte kurzerhand, die restlichen Tagesordnu­ngspunkte auf den nächsten Parteitag zu verschiebe­n und erhielt dafür Zustimmung. Zu viel für einige Delegierte­n: Sie verließen wutentbran­nt den Saal.

„Ein souveräner Landesvors­tand sieht anders aus. Entweder ist er fachlich überforder­t oder er leidet unter Verfolgung­swahn.“

Edgar Huber AfD-Kr eis vorsitzend­er St. Wendel

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FOTO: BECKER & BREDEL Mit Guido Reil (l.) und Joachim Kuhs (r.) flankierte­n gleich zwei Vertreter des AfD-Bundesvors­tands Landeschef Josef Dörr (2. v. r.) und seinen Stellvertr­eter Rudolf Müller (2. v. l.) auf dem Landespart­eitag in Quierschie­d.

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