AfD-Parteitag beschließt umstrittene Satzung
Auf dem Landesparteitag haben die Anhänger von Landeschef Dörr eine umstrittene Satzungsänderung durchgesetzt.
Die Saar-AfD hat sich auf ihrem Landesparteitag eine neue Satzung gegeben. Künftig entscheidet allein der Landesvorstand über die Anträge von Neumitgliedern. Dies wurde von drei Kreisverbänden heftig kritisiert.
„Ich trete aus der Partei AfD aus, weil Dörrpflaumen Diarrhoe verursachen“– mit Handzetteln wie diesen versuchten Anhänger der neuen linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“vor dem Landesparteitag der AfD in Quierschied Parteimitglieder abzuwerben. Guido Reil vom AfD-Bundesvorstand kommentierte den Versuch spöttisch: „Nachdem Oskar Lafontaine die SPD zerlegt hat, zerlegt er jetzt die Linke. Die Idee ist nicht schlecht.“
Allerdings herrscht auch innerhalb der Saar-AfD alles andere als Einigkeit. Zwischen den Kritikern von Parteichef Josef Dörr und seinen Anhängern ist ein heftiger Streit entbrannt. Die Linie verläuft im Wesentlichen zwischen den Kreisverbänden Saarpfalz, St. Wendel und Merzig-Wadern auf der einen Seite und den Kreisverbänden Saarbrücken-Stadt und Saarbrücken-Land auf der einen Seite – treuen Dörr-Unterstützern und deutlich in der Mehrheit.
Und mit dieser Mehrheit setzten sie am Sonntag umstrittene Satzungsänderungen durch. Künftig entscheidet der Landesvorstand, nicht der jeweilige Kreisvorstand, über die Aufnahme jedes neuen Parteimitglieds. Seine Entscheidung muss er nicht begründen. Dörrs Gegner kritisierten dies scharf: Damit werde die Autonomie der Kreisverbände untergraben. Edgar Huber, Kreisvorsitzender in St. Wendel, sah in den „ständigen Satzungsänderungen“ein Zeichen, dass der Landesvorstand „entweder fachlich überfordert ist oder unter Verfolgungswahn leidet“. Die Gebietsverbände würden entmachtet und zu reinen Bittstellern degradiert. Dörr lauschte der Kritik mit verschränkten Armen und versteinerter Miene. Er erwiderte, man sei dringend zu der Änderung aufgefordert worden. Albrecht Glaser, stellvertretender Bundessprecher der AfD, habe gesagt, die Kreisverbände seien zum Teil „mit den schwierigen Fragen“, die mit der Mitgliederaufnahme verbunden seien, überfordert.
Außerdem schreibt die neue Satzung das Delegiertenprinzip für Parteitage fest. Dörrs Kritiker setzen sich für ein Mitgliederprinzip ein. „Wir fordern direkte Demokratie und Volksabstimmungen und leben es in der eigenen Partei nicht vor“, beklagte Andreas Hilberer vom Kreisverband Merzig-Wadern. Neben der Satzungsänderung stand die Wahl eines Beisitzers sowie dreier Mitglieder des Landesschiedsgerichts auf dem Programm. Nachdem der Bundesvorstand dort zwei Mitglieder eingesetzt hatte, die Dörr nicht passten, setzten sich gestern zwei Kandidaten durch, die seinem Lager zugerechnet werden. Dörrs Sohn Michel wurde Schriftführer.
Auf dem vergangenen Parteitag war es zu Tumulten und beinahe zu Handgreiflichkeiten gekommen. Dieses Mal lief es ruhiger ab. Normale Parteimitglieder, die als Gäste teilnehmen durften, wurden von schwarz gekleideten Sicherheitsleuten scharf bewacht. Wer sich zwischen die Reihen der Delegierten wagte, wurde sofort zurückgepfiffen. Neben Guido Reil hatte der Bundesvorstand einen weiteren Vertreter geschickt: Bundesschriftführer Joachim Kuhs, der sogar die Versammlungsleitung übernahm.
Ursprünglich war der Parteitag bereits für Juni angesetzt gewesen. Dörrs Gegner – unter anderem sein Stellvertreter Lutz Hecker, der am Sonntag nicht teilnahm, da er nach einem Raubüberfall im Krankenhaus liegt – hatten damals vor dem Landesschiedsgericht durchgesetzt, dass er wegen formeller Fehler bei der Einladung nicht stattfinden konnte. Das Bundesschiedsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Versuch der Kreisverbände Saarpfalz, St. Wendel und Merzig-Wadern, auch den gestrigen Parteitag vor dem Schiedsgericht zu verhindern, misslang.
Sie werfen dem Landesvorstand unter anderem vor, durch gezieltes Verschleppen oder Ablehnen von Mitgliederanträgen aus ihren Kreisverbänden die Zahl der Delegierten auf dem Parteitag „zu seinen Gunsten zu manipulieren“, wie es in dem Beschluss des Schiedsgerichts heißt. Das Gericht entschied, dass die Vorwürfe „nicht ausreichend konkretisiert“worden seien. Wegen „der Schwere der Vorwürfe“und des „offensichtlich in toto abhanden gekommenen Vertrauens in den Landesvorstand“, sei aber eine Aufarbeitung dringend geboten.
Landeschef Dörr sagte der SZ, er sehe keine Notwendigkeit für eine Aufarbeitung. Der Landesvorstand habe noch keinen einzigen Aufnahmeantrag abgelehnt, über einige sei lediglich noch nicht entschieden worden. Daniel Schütte, Vize-Kreischef im Saarpfalzkreis, kündigte gegenüber der SZ an, den Parteitag anfechten zu wollen. Er begründete dies mit Zweifeln an „Anzahl und Rechtmäßigkeit der Delegierten“.
Einzelanträge eines einfachen Mitglieds, in denen unter anderem gefordert wurde, Diskussionen über den Zustand der Saar-AfD zuzulassen, wurden abgebügelt. Josef Dörr beantragte kurzerhand, die restlichen Tagesordnungspunkte auf den nächsten Parteitag zu verschieben und erhielt dafür Zustimmung. Zu viel für einige Delegierten: Sie verließen wutentbrannt den Saal.
„Ein souveräner Landesvorstand sieht anders aus. Entweder ist er fachlich überfordert oder er leidet unter Verfolgungswahn.“
Edgar Huber AfD-Kr eis vorsitzender St. Wendel