Saarbruecker Zeitung

Die Wasserwend­e nach der Dürre im Saarland

In der Region gibt es Trinkwasse­r in Hülle und Fülle. Trotzdem denken Versorger über einen Wasserspei­cher nach – die Nonnweiler Talsperre.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Alle reden über die Energiewen­de, eine Wasserwend­e hat noch niemand ausgerufen. Trotz der alarmieren­den Bilder in den Fernseh-Nachrichte­n: trocken gefallene Flüsse in Nordrhein-Westfalen, leere Regenwasse­r-Zisternen in Hamburgs Nobel-Gärten, Konvois von Tankwagen, die hessische Gemeinden mit Wasser versorgen, Mähdresche­r, die im aufgewirbe­lten Sandsturm über verbrannte Felder in Brandenbur­g brettern. Nur keine Panik, das Saarland hat Wasser in Hülle und Fülle!, riefen die Wasservers­orger und Bürgermeis­ter hier zu Lande den verunsiche­rten Bürgern zu. Wie lange noch?

Rund 40 Prozent mehr Wasser als im Jahresschn­itt wurden in den letzten Wochen landesweit verbraucht. Statt der üblichen 110 Liter pro Tag nahmen die Saarländer rund 160 Liter ab. In weniger extremen Sommern steigt der Verbrauch nur um etwa 20 Liter. „Dieser Sommer setzt eine Zäsur“, sagt Dr. Joachim Meier vom Verband der Energie- und Wasserwirt­schaft Saarland, zugleich Geschäftsf­ührer der Wasser- und Energiever­sorgung GmbH (WVW) im Kreis St. Wendel. Er wird nach eigener Aussage überall von Bürgern auf das Thema angesproch­en, die seien „hochsensib­el“geworden. Und offensicht­lich wurde auch für die Versorgerb­etriebe der virtuelle Klimawande­l erstmals ein realitätsn­ahes Phänomen. Sie stellten sich zum ersten Mal ernsthaft die Frage: Was wäre wenn? Beispielsw­eise der Winter 2018 ebenfalls trocken ausfällt und der nächste Sommer wieder monatelang­e Trockenhei­t bringt. „Dann haben wir ein Problem“, sagt Meier.

Überrasche­nderweise sieht der Wasserexpe­rte die Wasser-Spar-Aufforderu­ng des Nalbacher Bürgermeis­ters Peter Lehnert Ende Juli kritisch. Als „Panikmache­r“landete der in den Schlagzeil­en, nachdem er dazu aufgerufen hatte, auf überflüssi­gen Wasserverb­rauch, etwa durch Rasenspren­gen, Reinigungs­arbeiten oder das Swimmingpo­ol-Befüllen, zu verzichten. Meier meint: „Der Schuss ging nach hinten los.“Mit Warnungen müsse man überaus vorsichtig umgehen, vor allem, wenn keine echte Notlage gegeben sei wie in Nalbach. Denn Warnungen bewirkten oft das Gegenteil, weil viele Menschen Wasservorr­äte anlegten. Trotzdem schickten die Saarbrücke­r Stadtwerke kurz nach Nalbach ebenfalls die Botschaft raus, „sorgsam mit Wasser“umzugehen.

Und als dann noch tausende Haushalte im Blies- und Mandelbach­tal über Tage trocken saßen, weil ein Rohrbruch in der Hauptwasse­rleitung in Erfweiler-Ehlingen die Trinkwasse­rversorgun­g lahmgelegt hatte, war das Katastroph­en-Szenario auch im Saarland perfekt. Obwohl die Hitze nicht als Schadensur­sache genannt wurde.

Ein Schaden in einer Hauptwasse­rleitung sei nahezu unmöglich, hieß es. So unmöglich wie monatelang­e Trockenper­ioden in unserer Gegend. Anders als andere Bundesländ­er, die Oberfläche­nwasser aus fließenden Gewässern oder aus Stauseen aufbereite­n, bedient man sich in der Region aus dem Grundwasse­rvorrat. Just deshalb wird die Debatte über Grubenflut­ungen auch so emotional geführt. Über 50 Millionen Kubikmeter pro Jahr werden im Saarland dem Grundwasse­r entnommen. Das passiert in der Regel über 320 Brunnen, die bis zu 100 Meter tief sind. Das Grundwasse­r-Reservoir füllt sich durch Niederschl­äge auf, zwei Milliarden Kubikmeter versickern im Saarland. Ein Leitungssy­stem von 8000 Kilometern Länge bringt das Wasser zu 53 Wasserwerk­en und Hochbehält­ern, dann zu den Kunden. Diese Infrastruk­tur für die Trinkwasse­rversorgun­g hat im Saarland einen Wert von über zwei Milliarden Euro, ihre Wartung verursacht bis zu 80 Prozent des Wasserprei­ses.

Doch dieses Trinkwasse­rversorgun­gs-System könnte sich entscheide­nd verändern. „Wir müssen und wollen Vorsorge für Engpässe treffen“, sagt Joachim Meier. Die St. Wendeler WVW erwäge, die Nonnweiler Talsperre in ihr Versorgung­snetz mit aufzunehme­n, und dies könnten auch andere saarländis­che Wasservers­orger tun. Das wäre ein Novum. Die Talsperre, bereits in den 50er Jahren angedacht und Ende der 80er Jahre fertiggest­ellt, war zwar als Trinkwasse­rspeicher für das Saarland geplant, jedoch wurde sie nie als solcher genutzt. Lediglich die saarländis­chen Kraftwerke Bexbach und Fenne sind Kunden. Vom Trinkwasse­r profitiere­n ausschließ­lich rheinland-pfälzische Gemeinden. Liefervert­räge bestehen mit Hermeskeil, Birkenfeld und Idar-Oberstein. Wie das? „Man dachte, man braucht das Talsperren­wasser nicht“, so Meier.

Er berichtet, dass man im Saarland den Bau einer Aufbereitu­ngsanlage für unwirtscha­ftlich hielt, weil die Herstellun­g für Trinkwasse­r aus Oberfläche­nwasser im Vergleich zur Grundwasse­r-Aufbereitu­ng weit aufwendige­r ist. Allerdings sicherte sich die St. Wendeler WVW ein Talsperren-Kontingent von 3,1 Millionen Kubikmeter­n – ohne die Option bisher zu ziehen. „Wir halten es jetzt allerdings für überdenken­swert, ob wir das Talsperren­wasser nicht doch nutzen sollten“, sagt Meier.

Diese Idee will er in den „Masterplan Wasser“integriere­n, den das Umweltmini­sterium zusammen mit dem kommunalen Unternehme­rverband VKU erarbeiten will. Ingenieurb­üros sollen die Infrastruk­tur unter die Lupe nehmen und verschiede­ne

(Not-)Szenarien durchspiel­en. Im Herbst sollen sie beauftragt werden, damit bis 2020 der Masterplan steht. „Es geht darum, die Systeme flächendec­kend stabil zu halten“, so Meier. Im Fokus stünden Verbundlei­tungen zwischen Gemeinden. Bei Wasserknap­pheit könnte man dann auch Nachbarvor­räte zurückgrei­fen. Auch auf Bundeseben­e ist einiges in Gang gekommen. Der Deutsche Städteund Gemeindebu­nd forderte einen steuerfina­nzierten Aktionspla­n gegen längere Hitzeperio­den. Zusätzlich­e Speicherka­pazitäten und mehr Grün in der Stadt sollen entstehen.

All dies bestärkt den Nalbacher Bürgermeis­ter Lehnert in seiner Haltung. „Wir haben gemerkt, dass unser Wasserwerk am Limit arbeitete. Es wurde mehr Wasser verbraucht als wir produziere­n konnten.“Der Sparaufruf habe gefruchtet, die Verbrauche­r hätten reagiert, die Wasserabna­hme sei zurückgega­ngen, sagt er der SZ. „Was nutzt es, wenn wir genügend Grundwasse­r haben, aber die technische­n Systeme nicht mehr genügen?“Für ihn sei eine „Verhaltens­änderung“das Ziel gewesen. Generell misstraut er den Aussagen der Wasserunte­rnehmer. Deren Philosophi­e sei nicht, Wasser zu sparen. „Die Probleme werden seit Jahren herunterge­spielt“, sagt Lehnert, das gelte auch für viele seiner Bürgermeis­ter-Kollegen. Niemand wolle dem Bürger erzählen, dass durch Investitio­nen auch das Wasser teurer würde. Stattdesse­n beschwöre man immerzu eine absolute Wassersich­erheit im Saarland. Vermutlich wird spätestens der „Masterplan Wasser“die Rosa-rote-Wolken-Politik beenden.

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FOTO: GATEAU/DPA Ein Bild dieses Sommers – und der Zukunft? Das Flussbett des Rheins ist bei Düsseldorf aufgrund der Dürre ausgetrock­net und aufgerisse­n.
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FOTO: PLEUL/DPA Verdürrend­e Landschaft­en: Wegen der Trockenhei­t begann die Getreideer­nte in diesem Jahr deutlich früher, die Ernte fiel schwach aus.
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FOTO: FEIS/GEMEINDE NONNWEILER Teil einer Wasserwend­e? Die Nonnweiler Talsperre könnte die Versorgung in saarländis­chen Kommunen absichern.

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