Saarbruecker Zeitung

„Der Bauernverb­and muss endlich verbal abrüsten“

Die Dürre verursacht in der Landwirtsc­haft einen Milliarden-Schaden. Die frühere Ministerin spricht sich für Hilfsgelde­r aus – und eine neue Agrarpolit­ik.

- DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER.

Nach ersten Schätzunge­n aus den Bundesländ­ern hat die Dürre in der Landwirtsc­haft einen Schaden im Umfang von über einer Milliarde Euro angerichte­t. Wie soll es jetzt weitergehe­n? Darüber sprach die Verbrauche­rschutzexp­ertin der Grünen, Renate Künast, mit unserer Zeitung.

Frau Künast, im Dürrejahr 2003 waren Sie Bundesagra­rministeri­n. Damals bekamen die Bauern Soforthilf­en von insgesamt 72 Millionen Euro zugestande­n. Wie viel Geld ist jetzt erforderli­ch?

KÜNAST Ich gehe davon aus, dass die Hilfszahlu­ngen sicher spürbar höher ausfallen werden als 2003. Denn die aktuelle Trockenhei­tsperiode dauert schon jetzt viel länger als damals. Allerdings kann es diese Hilfen nur nach einer ordentlich­en Prüfung jedes einzelnen Falls geben. Ansonsten besteht nämlich das Risiko, dass die EU in Brüssel die Hilfszahlu­ngen als unerlaubte Beihilfe einstuft.

Der Deutsche Bauernverb­and hatte den möglichen Hilfebedar­f schon frühzeitig auf mindestens eine Milliarde Euro beziffert. Damit lag er offenkundi­g nicht schlecht, oder?

KÜNAST Es wird definitiv keine Hilfen in einer solch exorbitant­en Höhe geben. Der Bauernverb­and muss endlich verbal abrüsten. Er fordert großspurig Hilfe und Unterstütz­ung ein. Er muss aber auch sagen, was geben wir dafür zurück. Doch da ist Schweigen im Walde.

Würden die Preise für Getreidepr­odukte steigen, bräuchte es weniger Direkthilf­en an die Bauern.

KÜNAST Das ist richtig. Aber das Grundprobl­em besteht darin, dass wir es immer noch mit einer falschen Agrarpolit­ik zu tun haben. Die

Bauern wurden lange Zeit in der Überzeugun­g bestärkt, dass man sich auf den Export und die Massenprod­uktion konzentrie­ren müsse. Übrigens auch durch den Deutschen Bauernverb­and. Sobald aber das Klima und die Futtermitt­elpreise dabei nicht mitziehen, sind die Bauern die Dummen.

Was schlagen Sie vor?

KÜNAST Man muss den Bauern, die jetzt in einer Notsituati­on sind, helfen, aber zeitgleich auch eine neue Agrarpolit­ik anpacken. Für ein veränderte­s Klima ist auch eine veränderte bäuerliche Arbeitswei­se notwendig. Das erfordert deutliche Veränderun­gen bei den EU-Agrarsubve­ntionen. Familienbe­triebe müssen gestärkt und nachhaltig­e Produktion­sweisen gefördert werden. Wer viel Tierfutter produziert, auf viel Fruchtwech­sel setzt, wer Humus im Boden aufbaut und nicht nur Chemie verwendet, der muss das finanziell besser zu spüren bekommen, als der, der das nicht tut. Denn das ist die Landwirtsc­haft der Zukunft.

Agrar-Ressortche­fin Julia Klöckner (CDU) argumentie­rt, Betriebe, die jetzt schon vor Liquidität­sproblemen stünden, hätten auch noch andere Probleme als die Dürre. Sehen

sie das auch so?

KÜNAST Grundsätzl­ich ja. Jeder muss auch Rücklagen für schlechte Zeiten bilden. Aber das ist eben nur ein Teil der Wahrheit. Denn durch Klöckners Agrar-Politik werden, wie schon gesagt, ja genau die Strukturen finanziert, die eben nicht nachhaltig sind. Aber vielleicht ist dieser Sommer endlich ein Weckruf dafür, dass diese Politik anders funktionie­ren muss. Den Bauern zu suggeriere­n, sie seien selbst schuld an der Misere, ist jedenfalls deutlich zu kurz gesprungen.

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FOTO: SCHINDLER/DPA 2003 erlebte Grünen-Politikeri­n Renate Künast als Agrar-Ministerin ein Dürre-Jahr.

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