Saarbruecker Zeitung

War Sami A. zu klein für bin Ladens Leibgarde?

Der abgeschobe­ne Tunesier beschäftig­t schon jetzt 14 Gerichte. Täglich kommen neue Details zum Leben des Islamisten ans Licht.

- VON BETTINA GRÖNEWALD Produktion dieser Seite: Pascal Becher Tobias Fuchs

(dpa) Seit Jahren befassen sich deutsche Gerichte mit dem tunesische­n Islamisten Sami A. – schon lange vor seiner umstritten­en Abschiebun­g. Wer ist der Mann und war er tatsächlic­h ein Leibwächte­r von Osama bin Laden? Fragen und Antworten zu einer obskuren Figur:

Wie kam Sami A. nach Deutschlan­d?

Als 21-Jähriger kommt der Tunesier 1997 zum Studium legal nach Nordrhein-Westfalen. Hier studiert er zunächst Textiltech­nik, später Technische Informatik, schließlic­h Elektrotec­hnik. Zuerst lebt er in Köln, ab 2005 in Bochum.

Im Prozess um die islamistis­che Terrorvere­inigung „Al Tawhid“vor dem Oberlandes­gericht (OLG) Düsseldorf (2003 bis 2005) wird Sami A. von einem Zeugen schwer belastet: Sami A. habe 1999/2000 in einem afghanisch­en Islamisten­lager eine militärisc­he Ausbildung durchlaufe­n und später der Leibgarde des Al-QaidaChefs Osama bin Laden angehört. Daraufhin wird im März 2006 die Ausweisung von Sami A. verfügt. Er stellt einen Asylantrag. Es folgt eine Kette von Gerichtsve­rfahren.

War Sami A. bin Ladens Leibwächte­r?

Mehrere deutsche Gerichte und Behörden sehen das als erwiesen an. Die Zeugenauss­agen und die rechtskräf­tigen Feststellu­ngen des OLG seien Tatsachen, stellt die Bezirksreg­ierung Arnsberg 2010 in einem Widerspruc­hsbescheid zur beantragte­n Aufenthalt­serlaubnis für Sami A. fest. Dessen Behauptung, die Aussage des Hauptbelas­tungszeuge­n sei falsch, sei vom OLG widerlegt worden. Sami A. hatte unter anderem vorgebrach­t, er sei von kleiner Statur (1,65 Meter) und habe schon deswegen nicht zum Kreis der Verteidige­r des großgewach­senen AlQaida-Chefs zählen können.

Auch das Oberverwal­tungsgeric­ht NRW stellt 2015 in einem Urteil in dem jahrelange­n Ausweisung­sstreit fest: „Der Senat sieht es als erwiesen an, dass der Kläger Ende 1999/ Anfang 2000 die terroristi­sche Organisati­on Al Qaida unterstütz­t hat, indem er sich in einem von ihr betriebene­n Lager in Afghanista­n einer militärisc­hen Ausbildung unterzogen hat und zeitweilig der Leibgarde von Osama bin Laden angehört hat.“

Ist Sami A. gefährlich? Das Amtsgerich­t Bochum bejaht dies in seinem Beschluss, Sami A. in Abschiebun­gshaft zu nehmen. „Von dem Betroffene­n geht (...) eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben sowie bedeutende Rechtsgüte­r der inneren Sicherheit aus“, argumentie­rt die Richterin. „Ein beachtlich­es Risiko kann sich auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbere­iter und auf Identitäts­suche befindlich­er Ausländer im besonderen Maße mit dem radikal-extremisti­schen

Islamismus (...) identifizi­ert und über enge Kontakte zu gleichgesi­nnten Personen verfügt (...). Ein solches beachtlich­es Risiko kann hier für den Betroffene­n festgestel­lt werden“– auch, weil Sami A. alles leugne und Legenden stricke. Die Sicherheit­sbehörden in NRW stufen Sami A. als Gefährder ein.

Was sagt Sami A.?

Der 42-Jährige streitet beharrlich alle Vorwürfe ab und bezeichnet die Zeugenauss­agen als falsch. Auch vor dem Bochumer Amtsgerich­t erklärt er, er sei nie in einem Ausbildung­slager von Al Qaida gewesen: „Ich propagiere Toleranz ohne Grenzen.“ Bei einer polizeilic­hen Vernehmung im Mai 2018 berichtet eine Zeugin, Sami A. habe ihr gesagt, „Deutschlan­d wird Blut weinen“, wenn er abgeschobe­n werde. Das Attentat auf dem Berliner Weihnachts­markt heiße er gut. Deutschlan­d mache ihm das Leben schwer, daher seien die Toten „eine verdiente Strafe“. Sami A. bestreitet das vor Gericht: „Ich bin

gegen jede Art von Gewalt.“

Ist Sami A. ein Terrorist?

2006 leitet die Bundesanwa­ltschaft ein Ermittlung­sverfahren ein, um zu klären, ob Sami A. Mitglied einer ausländisc­hen Terrorgrup­pe sei. Es wird 2007 eingestell­t, weil sich der Tatverdach­t nicht „mit der für eine Anklageerh­ebung erforderli­chen hinreichen­den Sicherheit“erhärten lässt.

Wie viele Gerichte hat Sami A. schon beschäftig­t?

In einer Antwort auf eine AfD-Anfrage listet das Düsseldorf­er Justizmini­sterium für die Jahre 2006 bis Juni 2018 schon 14 Verfahren in NRW auf.

Was kostet Sami A. den Steuerzahl­er? Laut einer Antwort des NRW-Flüchtling­sministeri­ums auf eine AfD-Anfrage bezog der vierfache Vater zuletzt knapp 1200 Euro Hilfeleist­ungen pro Monat nach dem Asylbewerb­erleistung­sgesetz.

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