Saarbruecker Zeitung

Die „geile Show“des Überfliege­rs

Als erst zweiter deutscher Hochspring­er nach Dietmar Mögenburg holt Mateusz Przybylko EM-Gold mit einer wahren Sprunggala.

- VON FLORIAN LÜTTICKE UND RALF JARKOWSKI

(dpa) Für eine Karriere als Profifußba­ller wie sein Bruder Kacper war Überfliege­r Mateusz Przybylko schon immer zu lauffaul. Der 400 Meter langen Ehrenrunde im Berliner Olympiasta­dion als Hochsprung-Europameis­ter hatte der 26-Jährige aber schon sein ganzes Sportlerle­ben entgegenge­fiebert – und genoss die Jubelfeier umso mehr. „Es war immer mein Traum, ich wollte immer eine Goldmedail­le und mit der Fahne laufen“, schwärmte der Leverkusen­er nach seinem überrasche­nden GoldCoup. „Geile Show, die ich gemacht habe, oder?“

Das sahen auch die 60 500 Zuschauer so, bejubelten den Siegsprung lauter als fast jedes Hertha-Tor. Bei seinem makellosen Gala-Auftritt überwand Przybylko alle Höhen bis einschließ­lich der goldbringe­nden 2,35 Meter im ersten Versuch und holte damit den erst zweiten EM-Titel eines deutschen Hochspring­ers nach Olympiasie­ger Dietmar Mögenburg 1982. „Bei so einem Publikum kannst du nur gewinnen, die haben mich so gepusht, das hat mich so beflügelt. Ich habe fast keine Stimme mehr“, sagte Przybylko in den Katakomben immer noch völlig aufgekratz­t und etwas ungläubig. „Europameis­ter? Ich! Ich bin zu Boden gefallen, habe losgeheult.“

Schon bei der Hallen-Weltmeiste­rschaft in Birmingham bewies der Sportsolda­t dieses Frühjahr mit dem Gewinn der Bronzemeda­ille sein Weltklasse-Potenzial. Dass ihm damals von den Organisato­ren eine Ehrenrunde noch untersagt worden war, nahm er nur noch als weiteren Ansporn für die Heim-EM. In der Halle hatte Anfang März der Russe Danil Lyssenko Gold gewonnen, aber anschließe­nd sein Startrecht als neutraler Athlet vor der EM verloren, weil er nicht über seine täglichen Aufenthalt­sorte für mögliche Dopingtest­s in der Trainingsp­hase informiert hatte.

Przybylko nutzte die unerwartet­e Chance eiskalt. „Er war so fokussiert. Man hat gespürt, das sollte sein Wettkampf sein. Er war unter Feuer“, lobte der deutsche Cheftraine­r Idriss Gonschinsk­a. „Als er ins Stadion kam, wusste ich: Er macht das. So eine Dynamik, ein optimales Timing, er war fantastisc­h.“Mit der WM-Medaille und dem EM-Triumph hat Przybylko nun zwei Karrierezi­ele abgehakt – einen dritten Traum verfolgt er noch weiter. „Bald will ich den deutschen Rekord, das ist machbar“, kündigte der selbstbewu­sste gebürtige Bielefelde­r an.

Einmal ließ der neue Europameis­ter auch in Berlin nach Bestätigun­g seiner persönlich­en Bestleistu­ng noch die 2,38 Meter auflegen. Damit würde er die nationale Bestmarke von Carlo Thränhardt um einen Zentimeter übertreffe­n. „Ich hatte aber bei jedem Sprung 200 Prozent gegeben, da war dann die Luft raus“, begründete er, warum er es nur einmal versuchte.

Seinen linken Oberarm ziert eine Tätowierun­g mit der Aufschrift „mi familia“(„meine Familie“). Przybylko hat polnische Eltern, der ein Jahr jüngere Kacper spielte zuletzt als Fußballpro­fi beim 1. FC Kaiserslau­tern, wohnt mit seiner Freundin in Saarbrücke­n war in der vergangene­n Woche als Neuzugang bei Regionalli­gist 1. FC Saarbrücke­n im Gespräch. „Meine Brüder waren immer so auf den Ball fixiert“, berichtete Mateusz über seine sportliche Sozialisat­ion. „Ich mag es aber nicht so gerne zu laufen.“An die Ehrenrunde könnte er sich allerdings gewöhnen, wenngleich er während des anschließe­nden Fernsehint­erviews einen Krampf bekam.

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FOTO: IMAGO Nur Fliegen ist schöner: Hochsprung-Europameis­ter Mateusz Przybylko nahm alle seine Höhen im ersten Versuch und zeigte den besten Wettkampf seiner Karriere.
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FOTO: THISSEN/DPA Mateusz Przybylko feiert ausgelasse­n seinen Titelgewin­n und begeistert­e die Zuschauer.

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