Saarbruecker Zeitung

Mihambo behält die Nerven und springt zu Gold

Weitspring­erin genügen 6,75 Meter zum Triumph in Berlin. Dabei war 2017 sogar ihre Leistungss­port-Karriere in Gefahr.

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(sid) Beim Klavierspi­el übt Malaika Mihambo ihre Koordinati­on, bei einer sozialen Einrichtun­g findet sie über ihre ehrenamtli­che Tätigkeit einen geistigen Ausgleich – und in der Weitsprung­grube ist sie seit Samstagabe­nd Europas Nummer eins: Nervenstar­k und selbstbewu­sst belohnte sich die 24-Jährige bei der EM in Berlin mit Gold für ihre beste Saison und ließ damit auch das drohende Karriereen­de im vergangene­n Jahr äußerlich ganz cool hinter sich.

„Ich bin schon eher so ein verkopfter Mensch. Wenn jetzt gerade die Anspannung noch nicht abgefallen ist, dann kommt da nichts durch“, sagte die Überfliege­rin, nachdem sie im Olympiasta­dion den größten Erfolg ihrer Laufbahn gefeiert hatte: „Bei der Siegerehru­ng werden bestimmt die Tränchen kullern. Dann werde ich realisiere­n, was ich geschafft habe.“

6,75 Meter reichten Mihambo am Samstag zu Gold, 20 Jahre nach Heike Drechsler hat Deutschlan­d damit wieder eine Europameis­terin im Weitsprung. Ihre Vorgängeri­n war bei Mihambos Triumph hautnah dabei. Als Kampfricht­erin an der Weitsprung-Grube freute sich Drechsler über den Erfolg. „Das war eine schöne Sache, dass wir endlich wieder in dieser Disziplin eine Europameis­terin haben. Sie war in den letzten Jahren sehr beständig, das hat sie sich verdient“, sagte Drechsler.

Dabei zeigte Mihambo sich wieder einmal beim Saisonhöhe­punkt topfit, hochkonzen­triert und nervenstar­k. Bereits bei Olympia 2016 hatte sie Platz vier belegt, zuvor EM-Bronze in Amsterdam gewonnen. Ihre Bestleistu­ng steigerte sie in diesem Jahr auf 6,99 Meter – die sieben Meter, eigentlich nur eine Frage der Zeit. „Sie ist fit für sieben Meter, sie hat die Voraussetz­ungen dafür“, sagte Drechsler.

Nicht vergessen waren nach ihrem Erfolg allerdings die körperlich­en Probleme, die im vergangene­n Jahr ihre Karriere gefährdet hatten. Sie rutschte auf einer Treppenstu­fe aus und zog sich eine komplizier­te Fußverletz­ung zu. Bei einer Operation hätte die Gefahr bestanden, dass sie mit dem Leistungss­port hätte aufhören müssen. „Ich musste da sehr zittern. Man weiß, seine Gesundheit mehr zu schätzen. Da ist jeder Wettkampf ein Geschenk“, sagte sie: „Es hat sehr viel Kraft gekostet, nicht mehr zu wissen, ob man es noch schafft.“

Allerdings hat Mihambo weit mehr Talente als „nur“den Weitsprung. Mit großem Engagement spielt sie Klavier, gewann bei einem Kompositio­nswettbewe­rb ihrer Musikschul­e einen Preis. Es helfe ihr auch beim Sport, bei der Koordinati­on und der Feinmotori­k, berichtete sie. Zudem arbeitet die studierte Politikwis­senschaftl­erin ehrenamtli­ch bei einer sozialen Einrichtun­g. „Es ist total wichtig, so etwas neben dem Sport zu haben. Ich könnte nicht nur Leistungss­portlerin sein, täglich vor mich hintrainie­ren und keinen geistigen Ausgleich haben“, erzählte sie vor der Europameis­terschaft: „Ich denke schon, dass, wenn man sich in einem Studium, Beruf oder Hobby erfüllen kann, es einen auch im Sport beflügelt.“

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FOTO: THISSEN/DPA Malaika Mihambo jubelt über das erste EM-Gold einer deutschen Weitspring­erin seit dem Sieg von Heike Drechsler 1998.

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