Saarbruecker Zeitung

Berliner Raser stehen erneut vor Gericht

Das Mordurteil gegen sie nach einem illegalen Autorennen wurde aufgehoben: Nun müssen sich zwei Männer erneut verantwort­en.

- VON JANNE KIESELBACH UND JUTTA SCHÜTZ

Rund zweieinhal­b Jahre nach einem illegalen Autorennen in Berlin mit tödlichem Ausgang beginnt am Dienstag ein neuer Prozess. Die beiden Raser waren zunächst wegen Mordes verurteilt worden. Der Bundesgeri­chtshof hob das Urteil allerdings auf.

BERLIN (dpa) Topa läuft fröhlich unter Tischen und Bänken umher. Die fünfjährig­e Hunde-Dame mit hellem Zottelfell ist zur Begleiteri­n von Maximilian Warshitsky geworden. „Sie gehörte meinem Vater“, sagt er bei einem Treffen in einem Berliner Café und schluckt. „Jetzt kümmere ich mich um sie.“

Seit der Nacht zum 1. Februar 2016 ist für den 37-Jährigen nichts mehr, wie es war. Zwei Männer lieferten sich damals in der Hauptstadt ein illegales Autorennen auf dem Kurfürsten­damm nahe dem KaDeWe. Sie rasten mit bis zu 170 Kilometern pro Stunde über elf Kreuzungen, missachtet­en mehrere rote Ampeln. Schließlic­h rammten sie den Wagen von Warshitsky­s Vater – der 69-jährige Rentner starb noch an der Unfallstel­le.

Für den Sohn war es nur konsequent, dass das Berliner Landgerich­t die beiden Raser zu lebenslang­en Haftstrafe­n verurteilt­e. Erstmals sprach im Februar 2017 ein deutsches Gericht ein Mordurteil in einem Raser-Fall. Doch die spektakulä­re Entscheidu­ng hatte nicht lange Bestand: Der Bundesgeri­chtshof (BGH) kippte sie im März 2018.

Jetzt wird der Prozess in Berlin neu aufgerollt. Und Warshitsky ist wieder Nebenkläge­r. Für ihn sei der Gang ins Gericht hart, sagt er. Der Prozess werde alle Details in Erinnerung rufen. An Arbeit oder andere Beschäftig­ungen könne er derzeit nicht denken. „Ich kriege den Kopf momentan gar nicht frei.“Von Dienstag an müssen sich nun die inzwischen 29 und 26 Jahre alten Männer erneut vor dem Landgerich­t wegen Mordes verantwort­en. Ihr Fall wird von einer anderen Schwurgeri­chtskammer verhandelt. Zunächst wurden 19 Termine festgelegt.

Die Richter am BGH hatten nicht die von vielen erwartete „rote Linie“gegen Raser vorgegeben. „Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfall­s“, hieß es dort. In dem Berliner Fall sah Karlsruhe den bedingten Tötungsvor­satz als nicht ausreichen­d belegt an. Angeordnet wurden eine neue Beweisaufn­ahme und rechtliche Bewertung. Die beiden Männer sitzen nach wie vor in Untersuchu­ngshaft. Ihre Führersche­ine wurden eingezogen. Bei dem Zusammenpr­all waren sie kaum verletzt worden.

Laut erstem Urteil gab es einen „bedingten Vorsatz“, die Fahrer hätten den Tod anderer billigend in Kauf genommen. Der BGH hingegen meinte, der Vorsatz sei zu einem Zeitpunkt unterstell­t worden, zu dem die Angeklagte­n keine Möglichkei­t mehr hatten, den Unfall zu verhindern – nämlich in der Kurve vor der Kreuzung, wo einer der beiden in den Geländewag­en des 69-Jährigen raste. Der Jeep wurde mehr als 70 Meter weit geschleude­rt. Kann in einer neuen Verhandlun­g der Tötungsvor­satz nicht nachgewies­en werden, kommt eine Verurteilu­ng wegen fahrlässig­er Tötung in Betracht – der Strafrahme­n reicht von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft.

Seit vergangene­m Oktober können Teilnehmer an illegalen Autorennen härter bestraft werden. Im Strafgeset­zbuch gibt es seitdem den Paragrafen 315d. Wird durch ein „verbotenes Kraftfahrz­eugrennen“der Tod eines anderen Menschen verursacht, können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Rückwirken­d kann die neue Regelung auf den Berliner Raser-Fall aber nicht angewandt werden.

Für Warshitsky ist schon vor dem neuen Prozess klar: „Es war ein Mord.“Es sei bewusst in Kauf genommen worden, dass etwas passieren könne. Nicht jeder halte sich immer an Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen. Aber mit dem Dreieinhal­bfachen der erlaubten Geschwindi­gkeit unterwegs zu sein, sei eine völlig andere Dimension. „Es ist ein Terror auf der Straße. Das Fahrzeug wird zur Tatwaffe.“

Am meisten schmerzt Warshitsky, dass die beiden Angeklagte­n nicht gestanden haben. Im Prozess hätten sie nur versucht, sich selbst zu retten, meint er. Auch eine Entschuldi­gung habe es nicht gegeben. „Einfach mal Respekt erweisen – das war nie der Fall.“

 ?? FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA ?? Der Tag nach dem illegalen Autorennen auf dem Berliner Ku’damm. Dort, wo in der Nacht zuvor ein 69-jähriger Rentner starb, liegen Fahrzeugte­ile verstreut. Die beiden Verursache­r sind dagegen kaum verletzt.
FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Der Tag nach dem illegalen Autorennen auf dem Berliner Ku’damm. Dort, wo in der Nacht zuvor ein 69-jähriger Rentner starb, liegen Fahrzeugte­ile verstreut. Die beiden Verursache­r sind dagegen kaum verletzt.

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