Saarbruecker Zeitung

Die Parkland-Teenager und die Hoffnung auf den Wandel

Nach dem Massaker im Februar an ihrer High School fahren Schüler aus Florida quer durch die USA, um sich für strengere Waffengese­tze einzusetze­n.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Gerrit Dauelsberg

PERKASIE Lauren Hogg sitzt vor einem Kirchenalt­ar, ziemlich blass und sichtlich erschöpft. Ihre Sommerferi­en hat sie damit verbracht, in einem Bus quer durch Amerika zu fahren. Nun ja, sagt die 15-Jährige, die Älteren behauptete­n ja immer, ihre Generation sei zu bequem, interessie­re sich für nichts und starre obendrein immer aufs Handy. Auch von ihrer Mutter bekomme sie ständig zu hören, sie möge das verdammte Smartphone mal endlich aus der Hand legen. „Aber das ist nun mal die Art, wie wir kommunizie­ren. Und weil wir wissen, wie man sich der sozialen Medien bedient, erreichen wir was.“

In Perkasie ist die Botschaft angekommen. In der St. Stephen’s United Church of Christ sind alle Bankreihen besetzt. Viele stehen, viele warten noch draußen. Die Tour „Road to Change“, organisier­t von Schülern aus Parkland in Florida, macht an diesem Abend halt im Speckgürte­l um Philadelph­ia, bevor es weitergeht nach New York. 20 Staaten, 60 Städte, 75 Auftritte, das alles in zwei Monaten. Die Jugendlich­en fordern nach dem Massaker an ihrer High School im Februar, bei dem ein 19-Jähriger 14 Schüler und drei Erwachsene erschoss, strengere Waffengese­tze.

„Als Sandy Hook passierte, war ich neun“, sagt Hogg. „Als Pulse passierte, ging ich in die sechste Klasse.“An der Sandy-Hook-Grundschul­e in Newtown richtete ein geistig verwirrter Täter ein Blutbad unter Erstklässl­ern an. Der Name Pulse steht für einen Schwulencl­ub in Orlando, in dem ein Angreifer, der sich zur Terrormili­z Islamische­n Staat (IS) bekannte, 49 Menschen erschoss.

„Beide Male verstand ich, dass wir ein Problem haben. Ich habe nur nicht geglaubt, dass es sich lösen lässt“, blendet Hogg zurück. „Doch als ich in Parkland meine Freunde verlor, blieb mir keine andere Wahl, da musste ich etwas tun.“Das sei ja das Ding mit der Schusswaff­engewalt: „Es betrifft dich nicht, bis es dich ganz plötzlich betrifft.“Früher habe sich nach so einer Hiobsbotsc­haft ein Gefühl der Hilflosigk­eit mit der Trauer vermischt. Diesmal sei das anders, diesmal spüre sie Hoffnung, die Hoffnung auf Wandel. Irgendwann ruft Hogg drei Buchstaben in den Saal und fordert das Publikum auf, sie im Chor zu wiederhole­n. „R, E, V. – Register, Educate, Vote“: Man möge sich ins Wahlregist­er eintragen, sich bilden und informiere­n und am Wahltag tatsächlic­h wählen gehen. Den Ärger über allzu lockere Waffenpara­grafen in politische Konsequenz­en umzumünzen, darauf zielt sie im Kern ab, die strapaziös­e Bustour.

Vertritt ein Kandidat die Agenda der NRA, der National Rifle Associatio­n, soll er beim Kongressvo­tum im November die Ablehnung des Souveräns zu spüren bekommen. Gerade die Jüngeren, die sich bisweilen schwer damit tun, in ein Wahllokal zu gehen, sollen ihren Einfluss endlich in die Waagschale werfen. Gekippt ist sie ja längst, die Stimmung im Land. 67 Prozent der Amerikaner, so haben die Meinungsfo­rscher des Gallup-Instituts herausgefu­nden, plädieren inzwischen für strengere Auflagen beim Verkauf von Gewehren und Revolvern – vor vier Jahren waren es gerade mal 47 Prozent gewesen. Nur hat sich der Stimmungsu­mschwung noch nicht im Parlament niedergesc­hlagen.

Dort dominiert nach wie vor, mehrheitli­ch gebildet von Republikan­ern, aber auch von Demokraten aus ländlich geprägten Landstrich­en, die NRA-Fraktion. Das soll sich ändern. Vier Millionen US-Bürger werden in diesem Jahr 18, hat Cameron Kasky, einer der Organisato­ren der „Road to Change“, vorgerechn­et. „Wenn jeder von denen seine Stimme abgibt, wenn er Freunden und Verwandten ins Gewissen redet, können wir es schaffen.“

Dabei liest sich der Forderungs­katalog der Parkland-Teenager allenfalls wie das Programm für eine Mini-Reform. Magazine mit hoher Kapazität sollen verboten, die Personalüb­erprüfunge­n vor einem Waffenkauf ausgedehnt, die Forschung über die Ursachen der Schusswaff­engewalt soll besser finanziert werden. Auf keines dieser Anliegen hat der Kongress bislang reagiert. Zehn Bundesstaa­ten wiederum, allen voran Texas, haben grünes Licht für die Bewaffnung von Lehrern gegeben. Bisher ist er noch nicht erkennbar, der Wandel, für den sich die Parkland-Kids engagieren.

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FOTO: HERRMANN Laureen Hogg (r.), hier in einer Kirche in Perkasie, Pennsylvan­ia, kämpft zusammen mit anderen Teenagern für strengere Waffengese­tze.

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