Saarbruecker Zeitung

Wie die Kölner die Angst vom Platz jagen

Schmutz und Kriminalit­ät beherrscht­en den Ebertplatz im Norden der Domstadt. Nun beginnt die Rückerober­ung – mit einfachen Mitteln.

- VON JONAS-ERIK SCHMIDT

KÖLN (dpa) Die Sonne ist schon fast untergegan­gen, aber niemand denkt daran, nach Hause zu gehen. Es herrscht Festival-Stimmung auf dem Ebertplatz in Köln – vergleichb­ar mit der Stimmung, wenn die letzte Band schon gespielt hat und man noch ein bisschen vor den Zelten zusammensi­tzt. Nur: Es gibt auf dem Kölner Ebertplatz keine Band. Nur einen Brunnen. Und dass drumherum trotz einbrechen­der Dunkelheit noch Menschen sitzen, kann als kleines Wunder gelten.

Im Herbst 2017 galt der Ebertplatz, eine Art Beton-Schlund im Norden der Stadt, als praktisch nicht mehr zu retten. Wer ihn überqueren musste, tat das oft mit einem ziemlich mulmigen Gefühl und so schnell wie möglich. Drogendeal­er haben sich in den vergangene­n Jahren breit gemacht, der Brunnen in der Mitte war stillgeleg­t. Der Platz war leergefegt, ein Angstort. Im Oktober 2017 wurde ein 22-Jähriger erstochen, es soll sich um einen Streit im Drogen-Milieu gehandelt haben.

In deutschen Städten gibt es einige solcher Plätze, die erst vernachläs­sigt und dann aufgegeben werden. Am Ebertplatz lässt sich aber etwas beobachten, das man in solchen Fällen oft gar nicht mehr für möglich hält: eine Rückerober­ung.

Nachdem die Gewalteska­lation den Platz deutschlan­dweit in die Schlagzeil­en gebracht hatte, war es in der Stadtpolit­ik hektisch geworden. Köln, Straßenkri­minalität, großer Platz: Für das Kölner Image ist das eine toxische Kombinatio­n – Stichwort Silvestern­acht. Es gab dabei weitgehend­e Einigkeit, dass die Probleme auch mit der unglücklic­hen Architektu­r zu tun haben: Der Platz ist schlecht einsehbar und hat dunkle Ecken. Es wurde Geld locker gemacht und mit Anwohnern und Initiative­n an einem Kulturprog­ramm gearbeitet.

Man kann sagen, dass der Ebertplatz dann mit einer recht naheliegen­den Idee endgültig wachgeküss­t wurde: Der Brunnen wurde repariert und wieder angeschmis­sen. Der Metallbild­hauer Wolfgang Göddertz hatte die „Wasserkine­tische Plastik“einst entworfen. Das Besondere: Der Brunnen ist begehbar und eigentlich ein Wasserspie­lplatz. „Ich habe mir wirklich den Mund fusselig geredet. Niemand wollte oder konnte sich richtig vorstellen, welche Wirkung der Platz haben kann, wenn der Brunnen läuft“, berichtet Grischa Göddertz, sein Sohn. Schon sein Vater habe sich die Zähne daran ausgebisse­n, den Ende der 90er aus Kostengrün­den eingeschlä­ferten Brunnen wiederzube­leben. Aber erst 2016 kam wieder Bewegung in die Sache.

Der Sohn hatte sich den Brunnen bereits im Sommer 2017 angeschaut. Danach wurde überschlag­en, was eine Restaurier­ung kosten würde. Als die Diskussion im Herbst hochkochte, gab es schon Zahlen – 230 000 Euro wurden am Ende veranschla­gt. „Jetzt erklärt sich alles von selbst“, sagt Göddertz. „Der Brunnen ist jetzt das Hauptargum­ent für Leute, sich rund um den Platz zu engagieren, zum Beispiel indem sie Blumen gießen.“Eltern mit ihren Kindern kommen nun zum Ebertplatz, um im Wasser zu spielen.

Die Dealer sind nach Angaben der Polizei zwar immer noch nicht vertrieben. Aber sie bestimmen nicht mehr das Gesicht des Platzes. „Die Frage – nicht nur am Ebertplatz – ist ja: Was machen wir mit unseren Plätzen?“, sagt Nadine Müseler vom Kölner Kulturamt. Wenn niemand mehr komme, werde häufig nach Polizeikon­trollen gerufen – damit sich nicht Kriminelle breitmache­n. „Da ist das Modell, sich einen Platz mit Kultur, Veranstalt­ungen und partizipat­iven Aktionen zurückzuer­obern, sicherlich vielverspr­echender“, ist sie überzeugt.

„Die Frage – nicht nur am Ebertplatz – ist ja: Was machen wir mit unseren Plätzen?“Nadine Müseler Kölner Kulturamt

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FOTOS: OLIVER BERG/DPA Ein für die Kölner ungewohnte­s Bild: Familien bevölkern an einem Sommeraben­d den Brunnen auf dem Ebertplatz. Auch tagsüber nutzen ihn viele als Wasserspie­lplatz (rechts). Bis vor Kurzem war die Attraktion stillgeleg­t, der Platz in der rheinische­n Metropole wie leergefegt – ein Angstraum, dessen Szenerie von Drogendeal­ern bestimmt wurde.
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