Saarbruecker Zeitung

Nummer drei im Vatikan auf der Anklageban­k

Das gab es noch nie: Als bislang höchstem Würdenträg­er wird Vatikan-Finanzchef George Pell wegen Kindesmiss­brauchs der Prozess gemacht.

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SYDNEY (dpa) Man hat schon länger nichts mehr von George Pell gehört. Im „Sydney Morning Herald“, Australien­s ältester Zeitung, stand vor ein paar Wochen in der Klatschkol­umne, dass sich der 77-jährige Kurienkard­inal bei einer Hochzeit amüsiert habe. Mehr nicht. Das ist verhältnis­mäßig wenig, wenn man bedenkt, dass der enge Vertraute von Papst Franziskus jetzt vor Gericht kommt, weil er Kinder in früheren Jahren sexuell missbrauch­t haben soll.

Das Missbrauch­sthema wird die römisch-katholisch­e Kirche jetzt schon seit einer ganzen Weile nicht mehr los. Doch höher hinauf in die Hierarchie reichten die Vorwürfe noch nie. Als Finanzchef des Vatikans ist Pell, ein konservati­ver Mann aus einfachen Verhältnis­sen, die inoffiziel­le Nummer drei des Kirchensta­ats. Zu viel mehr Macht kann man es nicht bringen. Es gab Zeiten, da wurde der Australier als künftiger Papst gehandelt.

Damit ist es vorbei. Ersten Schaden nahm sein Ruf, weil sich seine Heimatkirc­he mit der Aufarbeitu­ng von Missbrauch­svorwürfen enorm schwertat. Einige der besonders schlimmen Schilderun­gen kamen aus Pells Geburtsort Ballarat. Dort war er Priester, bevor er es zum Erzbischof von Melbourne und dann von Sydney brachte. Viele Jahre später, schon als Kardinal, sagte er in einer Anhörung dazu: „Das war eine traurige Geschichte und sie hat mich nicht groß interessie­rt.“Dann gab es auch immer mehr Vorwürfe gegen Pell persönlich. Im Juni 2017 ließ er sich vom Papst beurlauben, um sich besser verteidige­n zu können. Offiziell ist er aber noch im Amt. Franziskus hält den Stuhl für ihn bis heute frei.

Bevor der Kardinal sich aus Rom verabschie­dete, beschwerte er sich noch über „unerbittli­chen Rufmord“. „Ich bin unschuldig. Diese Anschuldig­ungen sind falsch. Die ganze Vorstellun­g von sexuellem Missbrauch ist abscheulic­h für mich.“Auch in den Anhörungen plädierte er auf nicht schuldig.

Die Hoffnung, um einen Prozess herumzukom­men, erfüllte sich jedoch nicht. Zwar blieb ein Großteil der Vorwürfe auf der Strecke – aber eben nicht alle. Im Frühjahr ließ eine Richterin die Anklage zu. Sexueller Missbrauch an Kindern verjährt in Australien nicht. Die Höchststra­fe liegt bei 25 Jahren Haft. Für den erfolgsver­wöhnten Kardinal war das ein harter Schlag.

Zuhause haben ihm die Leute den Spitznamen „Big George“gegeben. Das hat auch mit der imposanten Figur zu tun, die der ehemalige Football-Spieler auch mit 77 Jahren noch hat. In Australien­s oberen Schichten ist er immer noch bestens vernetzt.

Dass man nun so wenig über das Verfahren erfährt, hat mit dem dortigen Justizsyst­em zu tun. Die Gerichte können sehr strikte Regeln erlassen, die die Berichters­tattung massiv einschränk­en. Damit soll der Angeklagte geschützt, vor allem aber eine Beeinfluss­ung der Geschworen­en verhindert werden. Wenn Australien­s Medien jetzt noch über den Fall berichten, dann in der immer gleichen Art: dass sich Pell vor dem County Court von Melbourne wegen „historisch­er Sexualstra­ftaten gegen Kinder“verantwort­en müsse. Der Gottesmann muss vor ein weltliches Gericht. Mehr aber auch nicht.

Auch aus dem Vatikan verlautete zu dem Fall offiziell schon länger nichts mehr. Umso energische­r zeigte sich der Papst, was andere Missbrauch­sskandale betrifft: Im Juli nahm Franziskus den Rücktritt eines US-Kardinals an, dem sexuelle Belästigun­g Minderjähr­iger vorgeworfe­n wird. Kurz darauf tat er selbiges im Falle eines Erzbischof­s, der bei der Vertuschun­g von Vorwürfen gegen einen anderen Geistliche­n geholfen hatte.

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FOTO:WEST/AFP Der Papst-Vertraute George Pell soll sich in frühen Jahren an Minderjähr­igen vergangen haben.

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