Saarbruecker Zeitung

„Altmaiers Aktionspla­n ist halbherzig“

Der Grünen-Fraktionsc­hef im Bundestag kritisiert das Regierungs­vorhaben zum Ausbau der Stromnetze.

- DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER

BERLIN Der Ausbau der Übertragun­gsnetze in Deutschlan­d hinkt dem Ausbau der erneuerbar­en Energien immer stärker hinterher. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) hat deshalb einen Aktionspla­n entwickelt. Der sieht zum einen vor, den Bau neuer Leitungen zu beschleuni­gen: Für jedes Vorhaben soll es künftig ein vorausscha­uendes Controllin­g geben mit regelmäßig­en Treffen der Beteiligte­n. Daneben sollen Planungsve­rfahren kürzer und das Vorschlags­recht der Länder für zeitrauben­de Alternativ­planungen beschränkt werden. Zum anderen sollen die bestehende­n Stromnetze optimiert und höher ausgelaste­t werden. Nach Einschätzu­ng von Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter ist das Vorhaben des Wirtschaft­sministers allerdings zu halbherzig.

Herr Hofreiter, warum kommt der Ausbau der Stromnetze kaum voran?

HOFREITER: Die Hauptursac­he besteht darin, dass der Bund hier viel zu wenig Druck macht. Hinzu kommt, dass einzelne Landesregi­erungen, wie die in Bayern, den Netzausbau sabotieren, wo sie nur können. Von den bundesweit erforderli­chen 7700 Kilometern sind gerade einmal 1750 genehmigt und erst 950 Kilometer realisiert. Das liegt daran, dass die Übertragun­gsnetze natürliche Monopole sind.

Was bedeutet das?

HOFREITER: Das bedeutet, dass die Betreiberg­esellschaf­ten schon wegen der hohen Kosten nur ein begrenztes Interesse am Netzausbau haben. Es mangelt am Wettbewerb – die Bundesregi­erung hat hier viel zu lange tatenlos zugeschaut.

Aber bremsen nicht auch viele Bürger, indem sie gegen den Ausbau klagen, weil ihnen neue Leitungen im eigenen Wohnumfeld ein Graus sind?

HOFREITER: Die Klagen werden total überschätz­t, denn sie sind in Wirklichke­it sehr selten. Geklagt werden kann doch nur, wenn die Genehmigun­gsbehörde schwerwieg­ende Fehler gemacht hat. Klagen lassen sich vermeiden, wenn Planer die Menschen frühzeitig einbinden, Verständni­s wecken, Transparen­z herstellen. Und wenn dann noch die Genehmigun­gsbehörden gut ausgestatt­et sind, dauert der Planungspr­ozess auch nicht unnötig lang.

Kann Altmaiers Aktionspla­n die Probleme lösen?

HOFREITER: Manches kann man begrüßen. Insbesonde­re, was die notwendige Optimierun­g der bestehende­n Netze angeht. Die Beschneidu­ng der Bürgerbete­iligung und rechtliche­r Überprüfun­gsmöglichk­eiten wäre allerdings ein schwerer Fehler und würde zu noch mehr Verzögerun­gen führen. Unterm Strich ist Altmaiers Plan halbherzig.

Warum?

HOFREITER: Zu den Kohle- und Atomkraftw­erken wird in dem sogenannte­n Aktionspla­n nichts gesagt. Dabei verstopft Kohle- und Atomstrom die Netze. Dadurch müssen Windkrafta­nlagen abgeschalt­et werden, und gleichzeit­ig bleiben Stadtwerke auf ihren Kosten für Gaskraftwe­rke sitzen. Aus Klimaschut­zgründen müssten aber genau diese beiden Komponente­n ausgebaut werden. Genau deshalb ist ein sofortiger Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohle geboten. Doch dem verweigert sich die Bundesregi­erung.

Je stärker die erneuerbar­en Energien auf dem Vormarsch sind, umso mehr scheint sich der Strompreis zu verteuern. Kann man das den Menschen noch vermitteln?

HOFREITER: Das kann man den Menschen nur sehr schwer vermitteln. Aber die Ursache dafür liegt ja zum einen am Fortbestan­d der Braunkohle­kraftwerke und zum anderen am Strompreis für die Industrie. Der ist so günstig wie noch nie. Wer heute ein Aluminiumw­erk besitzt, der kann sich seinen Strom schon jetzt für Jahre im Voraus zum gleichen Preis wie heute sichern. Das ist doch Irrsinn! Auch hier muss die Bundesregi­erung endlich gegensteue­rn.

 ?? FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA ?? Der Ausbau der Stromnetze in Deutschlan­d kommt nicht voran. Erst ein kleiner Teil der benötigten Leitungen ist genehmigt worden.
FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Der Ausbau der Stromnetze in Deutschlan­d kommt nicht voran. Erst ein kleiner Teil der benötigten Leitungen ist genehmigt worden.
 ?? FOTO: SCHUTT/DPA ?? Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter fordert die Abschaltun­g von Kohlekraft­werken.
FOTO: SCHUTT/DPA Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter fordert die Abschaltun­g von Kohlekraft­werken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany