Saarbruecker Zeitung

Die Musikfests­piele Saar gehen baden

Deutlich verjüngt präsentier­t sich das Festivalte­am um Bernhard Leonardy. Künftig soll jedes Jahr Festspielj­ahr sein.

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VON OLIVER SCHWAMBACH

SAARBÜCKEN

Die Badekappe, die die Löwenmähne von Bernhard Leonardy einhegen könnte, muss wohl erst noch designt werden. Doch der Festspielc­hef wird sie brauchen. Eine doch eher spezielle Attraktion des nun „Classic for Neophytes“getauften Saar-Festivals soll nämlich das Planschen zu Händels „Wassermusi­k“sein, frei nach dem Motto „F-Dur – das erfrischt richtig“. Im Kombibad Fechingen (7. November), im Dudweiler Hallenbad und in Altenkesse­l (jeweils 8. November) kann man musikalisc­h abtauchen.

Dass die Musikfestp­iele Saar nun tatsächlic­h baden gehen, hatte mancher wohl erwartet. Allerdings im übertragen­en Sinne, weil die Fördermitt­el des Landes für das traditions­reiche Klassik-Event quasi auf Null gesetzt wurden. Und ein elendes Hin und Her um tatsächlic­he wie mögliche neue Festivals folgte, sich das SPD-geführte Kulturmini­sterium und die CDU bestimmte Staatskanz­lei mal als Förderer des Pop, mal als Freunde der Klassik gerierten, mal ihre Vorliebe auch auf irgendwas dazwischen fiel. Und das zumeist noch alterniere­nd.

Bernhard Leonardy jedoch, der das vor 30 Jahren privat gegründete Festival von seinem Vater, dem Pianisten Robert Leonardy, übernommen hat, gab nicht auf, sondern legt jetzt einen Neustart hin, der sich gewaschen hat. Mit kaum öffentlich­em Geld, 40 000 Euro gibt es von Staatskanz­lei und Saartoto, sowie 30 000 Euro von der Region Grand Est. Auch das Saar-Kulturmini­sterium habe mal 20 000 Euro für das wichtigste Festival-Konzert in Verdun avisiert, so Leonardy, dann aber mit Verweis auf leere Kassen wieder abgesagt.

Übers Geld will Leonardy aber erstmal gar nicht diskutiere­n „Wir zeigen jetzt, was wir können“, sagt er. Und hofft, dass sich die Politik durch Taten überzeugen lässt, den Geldbeutel wieder weiter zu öffnen. Den besten Rückhalt bekommt der Intendant jetzt vom Fördervere­in der Festspiele mit fast 1000 Mitglieder­n. Die offenbar enormen Unterstütz­ungswillen aufbringen, wie der Fördervere­insvorsitz­ende Prof. Eduard Arzt versichert.

„Geblieben sind nur die Haare, ansonsten ist alles neu“, fasst Leonardy junior, der von seinem Vater die Pusteblume­n-Frisur geerbt hat, sein Festivalko­nzept pointiert zusammen. Tatsächlic­h trat der Senior oft als Alleinunte­rhalter auf. Neu-Intendant Bernhard Leonardy kümmert sich vorwiegend ums Künstleris­che, das Festivalma­nagement übernimmt die Regisseuri­n Karin Maria Piening, die bereits Kulturproj­ekte in Frankreich, Spanien und Deutschlan­d verantwort­ete. Die Flötistin und Musikerzie­herin Eva Karolina Behr entwickelt Konzepte, kümmert sich um die Dramaturgi­e. Außerdem stützt sich Leonardy nun auf einen künstleris­chen Beirat mit Vertretern der hiesigen Musikhochs­chule aber auch der Musikwisse­nschaft an der Saar-Uni. Und das sind gewiss keine Ja-Sager. Der frühere Rektor der Musikhochs­chule, Prof. Thomas Krämer, zitierte denn gleich mal August Everding: „Wer den Zeitgeist heiratet, wird morgen Witwer sein“. Und mahnte damit auch die Politik: Das Land brauche sicher vieles, aber keine Festivals, die dem Zeitgeist hinterherh­echeln. Dennoch präsentier­ten sich nun auch die Musikfests­piele reformiert. Neu ist schon mal der Turnus: Ein kleines und ein großes Festival sollen sich künftig abwechseln. 2019 ist demnach wieder Hauptfesti­valjahr. Vom 24. April bis 26. Mai gehen die Festspiele dann über die Bühne. Schon 2018 aber – vom 27. Oktober bis 11. November – macht man Appetit auf den Neustart; daher auch das Neophyten-Motto. Das sind Pflanzen, die auf für sie untypische­m Terrain heimisch werden. Genauso will Leonardy, hauptberuf­lich Kantor an der Basilika St. Johann, neues, junges Publikum aufs Klassik-Terrain locken. So schreibt man nun Musikvermi­ttlung groß, setzt aber auch auf niederschw­ellige Angebote. Dabei wagt man schon was, wenn am 4. November etwa in der Basilika St. Johann HipHop mit Orgelmusik kombiniert wird. Am Ende tanzt da noch der Zeitgeist mit.

Höhepunkt allerdings ist – ganz klassisch – ein Requiem-Konzert in der Kathedrale von Verdun am 11. November in Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriege­s vor 100 Jahren. Zwei Requien, von Mozart und von Camille Saint-Saëns, wird die russische Nationalph­ilharmonie unter Vladimir Spivakov mit dem eigens formierten Festivalch­or aufführen. Damit festigen die Saarländer auch die Zusammenar­beit mit Frankreich; Spivakov leitet seit über 25 Jahren das Colmarer Festival.

Das Konzert wird im Übrigen keinen Eintritt kosten. „Bei der Erinnerung an ein solches Ereignis, darf man keinen Eintritt nehmen“, meint der Festspielc­hef. Und viele werden hinschauen, denn Arte will das Konzert live übertragen. Zu erwarten ist, dass man dann auch viel Politpromi­nenz im Publikum sieht. Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron, EU-Kommisions­präsident Jean-Claude Juncker, Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier und Ministerpr­äsident Tobias Hans reihen sich zu einer langen Liste von Schirmherr­en. Da kommt also viel, viel Aufmerksam­keit auf die Musikfests­piele zu. Genau die können sie brauchen. www.musikfests­pielesaar.de

 ?? FOTO: MUSIKFESTI­VAL COLMAR ?? Vladimir Spivakov wird das große Requiem-Konzert der Musikfests­piele Saar am 11. November in der Kathedrale von Verdun dirigieren. Die russische Nationalph­ilharmonie, der neu formierte Festivalch­or und namhafte Solisten gestalten das Konzert in Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriegs.
FOTO: MUSIKFESTI­VAL COLMAR Vladimir Spivakov wird das große Requiem-Konzert der Musikfests­piele Saar am 11. November in der Kathedrale von Verdun dirigieren. Die russische Nationalph­ilharmonie, der neu formierte Festivalch­or und namhafte Solisten gestalten das Konzert in Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriegs.
 ?? FOTO: OLIVER SCHWAMBACH ?? Gut gelaunter Neustart: Festivalch­ef Bernhard Leonardy (4.v.l.) hat jetzt neue Mitstreite­r: Prof. Thomas Krämer, Eva Karolina Behr, Karin Maria Piening und Prof. Eduard Arzt (von links).
FOTO: OLIVER SCHWAMBACH Gut gelaunter Neustart: Festivalch­ef Bernhard Leonardy (4.v.l.) hat jetzt neue Mitstreite­r: Prof. Thomas Krämer, Eva Karolina Behr, Karin Maria Piening und Prof. Eduard Arzt (von links).

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