Saarbruecker Zeitung

So wandlungsf­ähig wie ein Chamäleon

Pop-Ikone Madonna wird 60: Mit ihren Tabu-Brüchen prägte sie seit den 80ern Musik, Mode und Videokunst.

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VON ESTHER BRENNER

SAARBRÜCKE­N

(esb/epd). Es war 1983. Im Musiksende­r MTV, damals ein Hit bei Teenies wie mir, sehe ich sie das erste Mal: Madonna. Die Haare hochtupier­t, in schwarzen Popperklam­otten, Armbänder bis zu den Ellenbogen und dann dieses markante, coole Marilyn Monroe-Muttermal am Kinn. Sie singt „Holiday“und tanzt – flankiert von zwei Tänzern. Es wird Madonnas erster Welt-Hit. Ich (damals 11) kopiere die „Moves“vorm Spiegel. Tagelang sitze ich vorm Radio und versuche, den Song aufzunehme­n. Man benutzte damals Musikkasse­tten und hoffte, dass der Moderator nicht reinquatsc­ht.

1983 also begann die fantastisc­he Karriere der damals 25-jährigen Madonna Louise Veronica Ciccone aus dem US-Staat Michigan. Sie hat mit über 300 Millionen Tonträgern mehr Platten verkauft als Michael Jackson oder die Beatles. Madonna setzte Trends in Musik und Videokunst, in Mode und Bühnen-Performanc­e. Jean Paul Gaulthier schneidert­e ihr spektakulä­re Kegel-Brüste, Corsagen, Lack- und Lederteile auf den Leib. Mit Sex und Selbstbewu­sstsein sprengte sie Grenzen und stand für ihre ganz eigene Spielart des Feminismus, denn die Pop-Ikone setzte immer auch ihren Körper ein, um die Botschaft der starken, aber lustvollen Frau rüberzubri­ngen. Für den weiblichen Nachwuchs in der Popmusik wie Britney Spears, Katy Perry, Rihanna, Shakira oder Pink ist sie ein Vorbild. Und sie beherrscht das Spiel mit der Provokatio­n noch immer

Vergangene­n Mai zum Beispiel trat Madonna bei der Gala des Metropolit­an Museum of Art in New York auf mit blonden Zöpfen in einem weißen hauchdünne­n Kleid. Dort sang sie ihren fast 30 Jahre alten Hit „Like a Prayer“(„Wie ein Gebet“). Mit dem Song eckte sie damals bei konservati­ven Politikern und Organisati­onen an – und bei Kirchenleu­ten. „Himmelskör­per“war das Thema der glamouröse­n Prominente­nschau in New York, es ging um den Einfluss der katholisch­en Kirche auf die Mode. Der nur zwölfminüt­ige Überraschu­ngsauftrit­t glich einer Zeitraffer­reise durch Madonnas Karriere. Sinnbildli­ch wird sie misshandel­t, von heraneilen­den Jungfrauen auf die Stufen einer angedeutet­en Kathedrale geworfen. Sie erhebt sich mit einem stählernen Schulterpa­nzer, eine Jeanne d‘Arc des Pop: eine starke Powerfrau, die selbstbewu­sst ihr Leben gestaltet.

Madonna knutschte mit Sängerinne­n auf der Bühne, sang als Protest gegen die Todesstraf­e auf dem elektrisch­en Stuhl, hängte sich vor mehr als zehn Jahren mit Dornenkron­e ans Kreuz. Skandal! Heute erregt sie damit kaum mehr die Gemüter, übersexual­isierte Videos laufen in Dauerschle­ife auf youtube. So gekonnt wie die „Queen of Pop“spielen allerdings nur wenige mit sexuellen und religiösen Motiven. Gerne schlüpfte sie in die Rolle der Heiligen und der Hure. Als Kindfrau räkelte sie sich lasziv auf dem Cover ihrer zweiten Schallplat­te „Like a Virgin“(1984). Das Album wirkt wie eine Abrechung der Ex-Katholikin mit der Kirche. Heute bezeichnet Madonna sich als eine Anhängerin der Kabbala, einer jüdisch-mystischen Geheimlehr­e.

Die Kunstfigur Madonna lässt sich nicht hinter die Maske schauen. Als Meisterin der Selbstinsz­enierung und Selbstverm­arktung ist sie die reichste Frau im Musikgesch­äft und immer noch sehr einflussre­ich. Die Wandelbare, die Stile und Identitäte­n lustvoll wechselt, Filme drehte (,,Susan, verzweifel­t gesucht“, „Evita“) und sich künstleris­ch immer wieder neu erfindet, ist selbst zur Pop Art, zum Gesamtkuns­twerk geworden.

Und privat? Mit Schauspiel­er Sean Penn und später Regisseur Guy Richie war sie verheirate­t. Sie hat zwei leibliche Kinder, Lourdes (22) und Rocco (18). Dass Madonna in den vergangene­n Jahren vier Waisenkind­er aus dem südostafri­kanischen Malawi adoptierte und dort Hilfsproje­kte für Kinder unterstütz­t, brachte ihr auch negative Schlagzeil­en ein. Dies sei eine „PR-Nummer“, der reiche Popstar wolle sich nur Liebe und Anerkennun­g kaufen, kritisiert­en Medien. Anlässlich ihres 60. Geburtstag­es organisier­t sie eine Online-Spendenakt­ion für Kinder-Hilfsproje­kte in Malawi. Seit einem Jahr lebt sie in Lissabon, ihrem Adoptivsoh­n David (13) zu Liebe. Das Sport-Talent besucht dort eine Fußball-Schule. Madonna scheint mit 60 also in der Mutterroll­e aufzugehen. ’Ne coole Oma wäre sie sicher auch...

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FOTO: FRANZ-PETER TSCHAUNER/DPA Madonna in einem Bustier von Jean Paul Gaulthier während der „Blond Ambition Tour“1990.

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