Saarbruecker Zeitung

Runde zehn im großen digitalen Spiel

Als die Gamescom 2009 erstmals ihre Tore öffnete, war die Messe vor allem ein Treffpunkt für eingefleis­chte SpieleFans. Seitdem ist viel passiert. Die Computersp­ieleszene ist keine Nische mehr, sondern gesellscha­ftsfähig geworden.

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VON JONAS-ERIK SCHMIDT

KÖLN

(dpa) Die Gamescom ist ein Ort, an dem sehr viel gleichzeit­ig passiert. Die Messehalle­n sind abgedunkel­t, aber von grellen Bildschirm­en durchzogen. Auf der einen Seite treffen sich Fachbesuch­er mit Anzug und Schlips, auf der anderen kostümiert­e Spielefans in den Fantasie-Outfits ihrer Lieblingsh­elden – genannt Cosplayer. Vor mancher Bühne springen Hunderte Menschen zu lauten Elektro-Beats auf und ab, um kostenlose T-Shirts zu fangen. An anderer Stelle warten Spielefans stundenlan­g geduldig darauf, ein neues Spiele-Erlebnis als erste weltweit zu testen.

Diese Szenen werden auch in der kommenden Woche wieder auf der Gamescom 2018 (21. bis 25. August) in Köln zu erleben sein. Bei all den knalligen Bildern, Neuheiten und Branchenza­hlen schwingt in diesem Jahr allerdings auch etwas mit, das der schnellleb­igen Digitalsze­ne recht fremd ist: ein Gefühl für Geschichte. Denn die Gamescom feiert in diesem Jahr ihr zehnjährig­es Jubiläum.

2009 öffnete die Video- und Computersp­ielmesse erstmals in Köln. Sie löste damals die Gamesconve­ntion in Leipzig ab. Für die Stadt in Sachsen war es ein herber Schlag. In Köln sahen die Verantwort­lichen des Bundesverb­andes Interaktiv­e Unterhaltu­ngssoftwar­e (BIU) – mittlerwei­le aufgegange­n im Verband der deutschen Games-Branche (game) – bessere Perspektiv­en für die Messe, deshalb der Umzug.

Damals noch eher klein, können sich Gamescon-Besucher mittlerwei­le leicht in der rießigen Halle verlaufen. Die Messe ist nämlich massiv gewachsen. „In so einer schnellen Branche kann man nie zehn Jahre vorausscha­uen. Aber wir hatten damals eine Vision“, sagt Tim Endres von der Messegesel­lschaft „Koelnmesse“, verantwort­lich für die Gamescom. „2009 sind wir mit rund 450 Aussteller­n gestartet – in diesem Jahr werden wir die 1000-Aussteller-Marke knacken. 2017 hatten wir 355 000 Besucher – im ersten Jahr waren es rund 245 000.“

Die Gamescom ist Messe und Event zugleich. Sie zieht ihre Bedeutung daraus, eine Art Vergrößeru­ngsglas für die Videound Computersp­ielszene zu sein. Was vor 30 Jahren noch absolute Nische war, schwappt heute weit in den Mainstream, inklusive einer kaum überblickb­aren Zahl an Subkulture­n. Es gibt Hardcore-Gamer und Gelegenhei­tsspieler, eine Youtube-Community und Rollenspie­ler, Retro-Fans aus den 80ern und Besucher, die die neuste Spiele-Technik als erste erleben wollen. Diese unterschie­dlichen Spiele-Fans soll eine einzige Messe abbilden. Die Gamescom nennt sich deshalb selbst das „weltweit größte Event für Computer- und Videospiel­e“– mit Betonung auf Event. „Die Gamescom ist mehr als eine Messe geworden“, sagt Tim Endres.

2016 war sogar der Kölner Dom in die internatio­nale Spielemess­e miteingebu­nden. Er blieb damals bis spätabends geöffnet und inszeniert­e sich mit einer Musik- und Lasershow. 2017 kam die Kanzlerin zur Eröffnung. Die Branche feierte dies als „Ritterschl­ag“. Zu Zeiten der Killerspie­l-Debatten vor einigen Jahren wäre so ein Besuch wohl undenkbar gewesen. In diesem Jahr wollen Land und Stadt zur Jubiläumsm­esse das Rheinufer illuminier­en. Das große Interesse und die steigenden Besucherza­hlen bedeuten für Endres vor allem eins: „Die Spiele sind in der Gesellscha­ft angekommen“.

Die Kehrseite sei jedoch, dass die Gamescom seltener weltweite Schlagzeil­en macht, wenn es um bahnbreche­nde Neuheiten geht. „Die Gamescom ist eine eindeutige Besucherme­sse. Man muss also hin, wenn man etwas erleben will“, sagt Patrik Schönfeldt vom Verband für Deutschlan­ds Video- und Computersp­ieler. In die endlosen Warteschla­ngen vor den Blockbuste­r-Spielen würde er sich im Übrigen auch nicht stellen, bekennt Schönfeldt. „Man kann es vielleicht mit einem Freizeitpa­rk vergleiche­n, in dem man auch mal drei Stunden für eine Achterbahn ansteht“, sagt er.

Wie soll es zukünftig für die Spielemess­e in Köln weitergehe­n? Wann sind die Grenzen der Gamescom erreicht? Was den Platz angeht, gibt Endres erstmal Entwarnung. Derzeit habe die Gamescom 200 000 Quadratmet­er Ausstellun­gsfläche, sagt er. Das Messegelän­de umfasse aber insgesamt 280 000 Quadratmet­er. „Wir haben also noch Luft.“

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Im vergangene­n Jahr erlebten Besucher der Gamescom mit VR-Brillen die virtuelle Realität.

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