Saarbruecker Zeitung

Mit „Gesichtsbu­ch“hinter die Stirn blicken

Was Facebook mit Adam und Eva zu tun hat? Manche Erkenntnis­se sind so alt wie die Bibel – und doch immer wieder neu.

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Es gab mal eine Zeit, da habe ich nur das Allerbeste von meinen Mitmensche­n gedacht. Ich grüßte jedermann freundlich und ohne Hintergeda­nken, ich wähnte mich im Bekanntenk­reis meist unter Gleichgesi­nnten. Das alles war, bevor ich dachte, ich wäre nicht mehr von heute, wenn ich meine Bekannten nicht auch im Internet treffen würde. Also trat ich Facebook bei und sammelte flott jede Menge „Freunde“. Eigentlich eine schöne Sache.

Leider habe ich seither meine innere Ruhe verloren. Denn ich habe nicht damit gerechnet, dass dieses „Gesichtsbu­ch“mir nicht nur die freundlich­en Minen all dieser Menschen zeigt, sondern mir bei einigen leider auch einen überrasche­nden Blick hinter die Stirn gewährt.

Kurz: Ich weiß auf einmal viel mehr von einigen Mitmensche­n, als ich von den meisten je wissen wollte. Da sind Leute drunter, von denen ich immer dachte, dass sie total vernünftig­e Denker sind, und die entpuppen sich auf Facebook plötzlich als Anhänger wilder Verschwöru­ngstheorie­n. Menschen, die ich als durchaus geistreich eingeschät­zt habe, irritieren mich mit der Veröffentl­ichung seltsam peinlicher Filmchen.

Und Bekannte, die ich von Angesicht zu Angesicht vor allem als total Kinder- und tierlieb erlebe, posten zwar auch jede Menge süße Katzen-Videos (und ich gestehe: auch ich liebe Katzen-Videos), aber leider auch auf einmal Sachen, die zeigen, dass Kinder für sie nicht gleich Kinder sind, sondern die Nationalit­ät der Kleinen leider eine größere Rolle spielt.

Ich finde das anstrengen­d und öfter auch frustriere­nd. Und ich würde gern zurück zu der seligen unwissende­n Zeit, als flüchtige Bekannte einfach Leute waren, denen man einen schönen Tag wünschte und ansonsten davon ausging, dass sie nette Menschen sind. Zu der Zeit, als ich höchstens die neue Frisur von jemandem bewundert habe und dabei nicht zu viel von den Gedanken wusste, die hinter dem frisch geschnitte­nen Pony wohnten. Und – das zählt natürlich ebenfalls – zurück zu der Zeit, als auch die anderen vielleicht nicht so sehr viel von mir wussten, wenn ich nicht gerade in der Zeitung drüber geschriebe­n habe. So vermittelt mir Facebook eine Einsicht, die man eigentlich schon seit Adam und Eva wissen müsste: Zuviel Erkenntnis kann einen aus dem Paradies vertreiben. . .

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