Saarbruecker Zeitung

Geld nur gegen Rechtsstaa­tlichkeit

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Auf der Suche nach Zinsen, die höher sind als Null, hat das internatio­nale Kapital in der Türkei willige Abnehmer gefunden. Präsident Erdogan hat mit den Krediten einen Boom produziert, für den er immer wieder gewählt wurde. Etliche Mammut-Projekte sind noch in der Planung, etwa ein Kanal parallel zum Bosporus. Die Aufrüstung und Kriegsführ­ung gegen die Kurden kommen hinzu. Groß, größer, Erdogan. Die Bevölkerun­g hat sich angewöhnt, auf Pump zu konsumiere­n, die Zinsen wurden niedrig gehalten. Jetzt platzt die Blase und mit ihr der Nimbus des neuen Sultans der Türken.

Zwar ist richtig, dass Donald Trump den Niedergang mit der Ankündigun­g von Sanktionen wegen eines festgehalt­enen US-Bürgers beschleuni­gt hat. Doch hätte diese Maßnahme allein nie eine so massive Abwärtsbew­egung auslösen können. Die Abwertung der türkischen Lira drückt ein viel tiefer sitzendes Misstrauen der Märkte in die Seriosität der türkischen Finanz- und Wirtschaft­spolitik aus. Allerdings liefert Trump Erdogan einen billigen Vorwand, wieder einmal alles auf das Ausland zu schieben.

Soll Europa ausgerechn­et diesem Präsidente­n helfen, wie Andrea Nahles vorgeschla­gen hat? Ausgerechn­et Erdogan, der nicht aufhört, den Westen zu beschimpfe­n und die Menschenre­chte mit Füßen zu treten? Die Naivität der SPD-Vorsitzend­en verwundert. Und der Alarmismus ihres Vorgängers Sigmar Gabriel, der sogleich davor warnt, das Land könne sich sich atomar bewaffnen, irritiert regelrecht. Was wollen die beiden Politiker erreichen? Blanko-Schecks für Ankara?

Wenn Hilfen, dann nur unter Bedingunge­n: Geld gegen Rechtsstaa­tlichkeit und seriöses Wirtschaft­en. In erster Linie ist hier mangels Zuständigk­eit ohnehin nicht Europa gefragt, schon gar nicht Deutschlan­d, sondern der Internatio­nale Währungsfo­nds. Er hat Erfahrunge­n mit solchen Hilfsprogr­ammen. Sicherheit für ausländisc­hes Kapital, aber auch für ausländisc­he Bürger, würde er verlangen. Außerdem die Bekämpfung der Korruption, damit nicht alles an den Fingern des Erdogan-Clans und seiner Vasallen kleben bleibt. Und schließlic­h: Ein Ende des Lebens auf Pump. Höhere Zinsen für Konsumente­nkredite. Dass Erdogan darauf nicht eingehen will, ist verständli­ch. Nur sollte ihn niemand vorschnell aus seiner Kalamität befreien.

Angelockt von hohen Renditen haben auch einige europäisch­e Banken, vor allem aus Spanien und Italien, in der Türkei Risiken versteckt. Und es gibt noch viel mehr Schwellenl­änder, die in einer ganz ähnlichen Situation sind: Auf Pump finanziert­e Investitio­nen, ein viel zu schneller Immobilien­und Bauboom, ein Konsumnive­au, dem kein nachhaltig­er wirtschaft­licher Ertrag gegenübers­teht. Das ist eine weitere negative Folge der nun bald zehn Jahre andauernde­n Politik des billigen Geldes. Die Finanzkris­e und damit das Thema Finanzmark­tkontrolle könnten früher als erwartet wieder auf der internatio­nalen Politikage­nda stehen – nicht nur allein wegen der Türkei.

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