Saarbruecker Zeitung

Stürzt Trump jetzt doch?

Der US-Präsident hat ein ernstes Problem: Sein ExAnwalt Michael Cohen wirft ihm Verfehlung­en kriminelle­r Art vor. Seine Gegner denken an Amtsentheb­ung.

- VON MICHAEL DONHAUSER

(dpa) In Washington ist eine Neuschöpfu­ng das Wort der Woche – das I-Wort. I für Impeachmen­t, Amtsentheb­ung auf Deutsch. Wenige wollen es in den Mund nehmen, aber alle haben es im Kopf. Das Schuldeing­eständnis von Donald Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen hat den Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten so stark ins Wanken gebracht wie noch nie in seinen bald 600 Amtstagen. Viele sprechen von der schlimmste­n Woche der Präsidents­chaft Trumps.

Die Schlacht um das Oval Office ist noch nicht vollends ausgebroch­en, aber in den Zentralen der beiden großen US-Parteien wird durchgelad­en – und auf den richtigen Zeitpunkt für den Angriff gewartet. Jetzt ist Donald Trumps Talent als Taktiker gefragt. Dem politische­n Washington steht mindestens bis zur Parlaments­wahl am 6. November ein heißer Herbst bevor.

Trumps Problem: Seine Gegner sind nicht nur die opposition­ellen Demokraten, die ein Amtsentheb­ungsverfah­ren im Zweifel beantragen könnten. Der Präsident muss sich zusätzlich noch gegen Kritiker in den eigenen Reihen zur Wehr setzen, gegen erklärte Gegner in der Justiz, gegen illoyale Mitarbeite­r, selbstgesc­haffene Feinde und gegen Menschen mit Rachegelüs­ten, die alte Rechnungen mit ihm offen haben. Der Anwalt von Porno-Darsteller­in Stormy Daniels will ihm erklärterm­aßen Probleme bereiten. „Er könnte potenziell weitere Straftaten begangen haben“, sagt Michael Avenatti über Trump. „Dieser Präsident ist in Schwierigk­eiten, und wir sind hinter ihm her“, feixt der Anwalt mit ausgeprägt­em Sinn für die Öffentlich­keit.

Dem einstigen Reality-TV-Macher Trump scheint ein Geflecht von Problemen um den Hals zu liegen. Den 72-Jährigen holt seine schillernd­e Vergangenh­eit ein, in der nicht nur Sex mit Porno-Darsteller­innen bisher eine Rolle zu spielen schienen.

Auch der Verleger des Revolverbl­attes „National Inquirer“, David Pecker, soll seine Finger im Spiel haben. Pecker sei Immunität garantiert worden, dafür habe er den Ermittlern gesteckt, dass Trump von Schweigege­ldzahlunge­n Cohens an Frauen in der heißen Phase des Wahlkampfs 2016 gewusst hatte. So berichten es US-Medien, denen wiederum interessie­rte Kreise Informatio­nen gesteckt haben. Der Verdacht: Die Giftschrän­ke von Leuten wie Pecker könnten voll sein mit delikatem Material über Trump – und die Druckmitte­l der Justiz sind ausreichen­d groß.

Die Nerven liegen blank, der Politikbet­rieb in der US-Hauptstadt ist noch mehr als üblich zum Haifischbe­cken geworden. Ohne Not feuerte der Präsident am Donnerstag eine Breitseite gegen Justizmini­ster Jeff Sessions, einst einer der treuesten Unterstütz­er des Kandidaten Trump. Weil dieser nach der Verbalohrf­eige, er habe sein Ministeriu­m nicht unter Kontrolle, in Richtung Weißes Haus zurückscho­ss, scheint ein Personalwe­chsel an der Spitze des Ministeriu­ms denkbar. Ausgerechn­et jenes Hauses, das die Russland-Untersuchu­ngen beaufsicht­igt und über die Arbeit von Sonderermi­ttler Robert Mueller wacht.

Der republikan­ische Senator Lindsey Graham gehört zu jenen, die glauben, dass Trump Sessions bald entlassen wird und empfiehlt ihm, dies keinesfall­s vor den Wahlen im November zu tun. Entscheide­nder aber ist, was Graham schon ein Jahr früher über die Personalie Sessions zu sagen wusste: Wenn der Justizmini­ster gewaltsam entfernt wird, könnte die Hölle losbrechen, auch im konservati­ven Spektrum. Jeder Versuch, den Sonderermi­ttler Mueller – ebenfalls ein Republikan­er – loszuwerde­n, könnte das Ende der Präsidents­chaft Trumps bedeuten, orakelte Graham damals.

Hat Graham recht, sitzt Trump in einer Zwickmühle. Er müsste dann mit ansehen, wie um ihn herum immer mehr Einzelheit­en darüber publik werden, was er alles falsch gemacht haben könnte. „Ich bin sicher, es kommen noch weitere Enthüllung­en ans Licht“, sagte der republikan­ische Senator und innerparte­iliche Trump-Kritiker Bob Corker.

Das tun auch die Demokraten. Bei der Opposition weiß man, dass es noch viel zu früh ist, jetzt ein Amtsentheb­ungsverfah­ren zu fordern. Erstens ist die politische Munition noch nicht ausreichen­d. Zweitens hat man noch keine Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus, mit der ein solches Verfahren auch ohne republikan­ische Hilfe erstritten werden könnte.

Die Strategie scheint zu sein, das Trump-Lager sich selbst zerfleisch­en zu lassen und davon an der Wahlurne zu profitiere­n. Senats-Opposition­schef Chuck Schumer etwa will die Cohen-Enthüllung­en nutzen, um zunächst einmal Trumps erste Wahl für einen freiwerden­den und politisch höchst wichtigen Richterpos­ten am Obersten Gerichtsho­f zu blockieren. „Der Kongress hat nichts getan, um Trump zu kontrollie­ren, jetzt können wir ihm nicht auch noch den Supreme Court in die Hände geben“, sagte er.

Ob das aufgeht, ist fraglich. Doch das Beispiel Supreme Court zeigt, wie sehr die Ermittlung­en um Trump und seine möglichen Russland-Verstricku­ngen alle möglichen Politikfel­der berühren. Für geordnete Sachpoliti­k scheint im Weißen Haus in diesen Tagen kaum noch Zeit zu bleiben. In der vielleicht schlimmste­n unter vielen schlimmen Wochen in seiner Amtszeit tut Trump das, was er wie wenige andere beherrscht: Ablenken.

Er twittert über Landraub in Südafrika und den Kampf gegen ausländisc­he Investoren mit üblen Absichten. Und vor allem über seine erfolgreic­he Wirtschaft­spolitik. Trump wäre nicht Trump, wenn er sich nicht auch hier zu einer drastische­n Aussage versteigen würde: Wenn er des Amtes enthoben würde, bräche sofort die Wirtschaft zusammen, ließ er im Interview seines Haussender­s Fox News wissen. „Und dann sind alle arm.“

„Dieser Präsident ist in Schwierigk­eiten, und wir sind hinter ihm her.“

Michael Avenatti

Anwalt von Porno-Darsteller­in

Stormy Daniels

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FOTO: EVAN VUCCI/DPA Eindringli­ch warnte US-Präsident Donald Trump davor, ihn des Amtes zu entheben. Dann würde die Wirtschaft zusammenbr­echen, sagte er.

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