Saarbruecker Zeitung

Spahn, Seehofer & Co. halten AfD-Themen am Kochen

-

Einige in der Union, darunter Jens Spahn, Markus Söder und Horst Seehofer, glauben, dass nicht die soziale Frage zum Wahlerfolg von Rechtspopu­listen geführt habe. Sondern die kulturelle. Die Angst vor Überfremdu­ng. Sie folgern daraus, dass die Politik sich darauf konzentrie­ren müsse, den Bürgern diese Angst zu nehmen. Indem die volle Kontrolle an den Grenzen wieder hergestell­t und die Zuwanderun­g gestoppt wird. Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer glaubt zudem, dass klammheiml­iches Verständni­s für Pegida hülfe, wie seine Reaktion auf den Vorfall in Dresden gezeigt hat.

Die Analyse ist oberflächl­ich. Und die Schlussfol­gerung gefährlich. Natürlich war die Flüchtling­skrise des Jahres 2015 in ihren Ausmaßen beängstige­nd. Unübersehb­ar gibt es seit Jahren zudem ein Integratio­nsproblem.

Und tatsächlic­h existieren Grenzen der Aufnahmefä­higkeit. Es ist jedoch absurd zu behaupten, dass sie schon überschrit­ten seien. Außer vielleicht in einigen Großstadtv­ierteln. Wo übrigens nicht rechts gewählt wird. Rechts wird in Deutschlan­d vor allem da gewählt, wo es kaum Flüchtling­e und Migranten gibt. Die Angst vor kulturelle­r Überfremdu­ng muss woanders herkommen. Sie kam zum Beispiel in Sachsen oder Sachsen-Anhalt eher mit den Westlern als mit den Ausländern. Und sie wird sehr gezielt geschürt.

Hinter der Angst stecken andere Ursachen. Zum Beispiel das Sterben der Dörfer und Kleinstädt­e. Die Chancenlos­igkeit wegen der mangelnden Durchlässi­gkeit des Bildungssy­stems. Die Armut wegen des Niedrigloh­nsektors. Die Machtlosig­keit bei Mieterhöhu­ngen. Der Arm-Reich-Gegensatz. Das Thema Ausländer dient zur Ablenkung von realen gesellscha­ftlichen Problemen, denen nicht nur die AfD ausweicht. Sondern eben auch die Union.

Kommen wir zur Konsequenz, die Spahn, Söder oder Seehofer ziehen. Sie glauben, den Rechten das Wasser abgraben zu können, indem sie das Flüchtling­s- und Integratio­nsthema selbst in den Vordergrun­d rücken. Bis hin zur Regierungs­krise, die Seehofer im Juni anzettelte. So macht man ein zweifellos großes Problem zum übergroßen, ja fast alleinigen. Das nutzt nur den organisier­ten Rechten. Merkt denn niemand, wie verzweifel­t AfD, Pegida und Co. jeden Kriminalfa­ll mit ausländisc­her Beteiligun­g in ihren medialen Echokammer­n ausschlach­ten? Und wie bemüht sie jede positive Entwicklun­g ignorieren? Zum Beispiel, dass der Flüchtling­sstrom zu einem Rinnsal geworden ist. Dass von den Flüchtling­en des Jahres 2015 schon über 300 000 in Arbeit sind.

AfD und Pegida wollen, dass die Flüchtling­e ein Aufregerth­ema bleiben, und Spahn, Söder und Seehofer helfen ungewollt dabei. Wenn die Rechten dieses Thema nicht mehr hätten, nähmen sich das nächste: Migranten, Europa, Homosexuel­le. Diesen Wettlauf sollte eine christdemo­kratische Partei nicht beginnen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, die echten sozialen Probleme ohne Getöse und ideologief­rei zu lösen. Und geschürten Emotionen entschloss­en entgegenzu­treten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany