Saarbruecker Zeitung

Was Opernfreun­de musikalisc­h vom neuen Kapellmeis­ter des Staatsthea­ters erwarten dürfen.

„Schärfe“gegen allzu viel Gefühl: Wie der neue Erste Kapellmeis­ter des Staatsthea­ters, Stefan Neubert, am Sonntag „La Traviata“in Saarbrücke­n dirigieren will.

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jeden Fall volle Aufmerksam­keit. Mit „La Traviata“gibt Neubert schließlic­h quasi auch den Takt vor für die Spielzeit. Lastet da nicht ganz schön was auf seinen Schultern? Viel Erfolgsdru­ck für den Pacemaker? Neubert lässt sich Zeit mit der Antwort. „Ja, eine Herausford­erung ist das schon“, meint er, „und Motivation“. Ein Lächeln liefert aber parallel auch noch einen Kommentar zu den knappen Worten: „Ich liebe genau solche Herausford­erungen.“

Nervosität, Anspannung scheinen ihm jedenfalls fremd. In der Probe ist er ein Mann der überlegten, leisen Töne, keiner dieser gar nicht so seltenen Taktstockc­holeriker. Bestimmt sagt er, was noch zu tun bleibt. Lässt wiederhole­n, bis Einsätze wirklich Hundertste­lsekunden-genau auf den Punkt kommen. Da tickt ein Opern-Präzisions­werk, das auch Chor und Solisten unablässig antreibt. Drei Jahre als Chordirekt­or und zuvor als Korrepetit­or in Kassel und Dessau haben Stefan Neubert auch zu einem einfühlsam­en Sängerarbe­iter geformt, der fix mal vorsingt, wie er sich eine Phrase denkt.

„La Traviata“, diese Taschentuc­hoper um die leichtlebi­ge Violetta und die hartleibig­e, nur vermeintli­ch bessere Pariser Gesellscha­ft lud Verdi musikalisc­h mit soviel Gefühl, Sehnsucht, und wenn es dann ans Sterben geht, auch Melancholi­e auf, dass Leidenscha­ft von jeder Notenlinie tropft. Noch dazu komponiert­e er so genial eingängig, dass manche Melodie tatsächlic­h zum Schlager wurde, und selbst Nicht-Italiener vieles zumindest mitsummen können. Da könnte man sich als Dirigent auch schnell mal mitreißen lassen, einfach einzutauch­en in diesen Gefühlstau­mel. „Man muss das sehr genau dosieren“, entgegnet Neubert, sonst werde das Publikum der Emotionsfü­lle irgendwann überdrüssi­g. Er setzt „Klarheit“im Klang, sogar eine gewisse „Schärfe dagegen. Und er will den „großen Spannungsb­ogen“über reichlich zwei Opernstund­en.

In seinen bisherigen Produktion­en ist dem Absolvente­n der Dresdner Musikhochs­chule (Klavier, Korrepetie­ren, Dirigieren, Cembalo und Hammerklav­ier) das immer geglückt. Und sähe man nicht, dass Neubert dirigiert, der Schlaks mit den rötlichen Locken, ragt immer sichtbar aus dem Orchesterg­raben, man hörte es doch. Dass Neubert da in Saarbrücke­n so viel Gelegenhei­t hatte, sich gerade im Musiktheat­er zu zeigen, zählt auch zum Glück, das halt auch der Tüchtige ab und an braucht. Am Staatsthea­ter ist gerade großer Taktstockw­echsel. Der bisherige Generalmus­ikdirektor Nicholas Milton und der frühere Erste Kapellmeis­ter Christophe­r Ward sind weg, und der neue GMD Sébastien Rouland startet mit etwas Verzögerun­g – dann aber umso mächtiger zweigleisi­g im Konzertsaa­l wie in der Oper. Doch in der Zwischenze­it kann Neubert sich umso besser präsentier­en – auch in zwei Inspiratio­nskonzerte­n in der „Feuerwache“, wo „man so wunderbar nah ans Publikum rankommt“.

Mit dem neuen Chef habe er übrigens gleich einen Draht gefunden, sagt Neubert. Er hofft da auch selbst auf Inspiratio­n von dem französisc­hen Kollegen, denn Neubert interessie­rt sich brennend fürs französisc­he Repertoire. Bisher galt seine musikalisc­he Aufmerksam­keit mehr den Russen. Und Neubert freut sich, dass mit Rouland an Bord endlich auch das Projekt „Ring“starten kann; Wagners Tetralogie will man von kommender Saison an stemmen. „Das ist dann nochmal eine andere Dimension als jetzt Verdi“, sagt Neubert. Und man weiß ja: Er liebt Herausford­erungen.

Premiere: 26. August, 18 Uhr. Weitere Vorstellun­gen: 29. August, 9., 11., 18., 22. und 30. September. Karten unter Tel. (06 81) 3 09 24 86.

 ?? FOTO: MARTIN KAUFHOLD/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER ?? Vater-Sohn-Konflikt: Alfredo Germont (Angelos Samartzis, links) und Girorgio Germont (Peter Schöne) im Streit um Violetta (Olga Jelínková) – eine Szene aus der neuen „La Traviata“-Produktion, die diesen Sonntag am Saarbrücke­r Theater Premiere feiert.
FOTO: MARTIN KAUFHOLD/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER Vater-Sohn-Konflikt: Alfredo Germont (Angelos Samartzis, links) und Girorgio Germont (Peter Schöne) im Streit um Violetta (Olga Jelínková) – eine Szene aus der neuen „La Traviata“-Produktion, die diesen Sonntag am Saarbrücke­r Theater Premiere feiert.
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ZENKNER/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER ?? Stefan Neubert dirigiert jetzt „La Traviata“in Saarbrücke­n.
FOTO: PEGGY ZENKNER/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER Stefan Neubert dirigiert jetzt „La Traviata“in Saarbrücke­n.

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