Saarbruecker Zeitung

Liegewiese an Neunkirche­r Bliesterra­ssen wird Hundetoile­tte

- Produktion dieser Seite: Ute Kirch, Lisa Kutteruf Daniel Kirch VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

Den Kopf gewaschen hat jetzt der Landesrech­nungshof des Saarlandes der Stadtverwa­ltung von Neunkirche­n und dem Saar-Bauministe­rium als Mitfinanzi­er wegen der Baumaßnahm­e „Bliesterra­ssen“. Auch die alte Eisenstadt gestaltet, dem Beispiel „Stadtmitte am Fluss“in Saarbrücke­n folgend, die Ufer des kleinen Flusses Blies zu einem innerstädt­ischen Erholungsr­aum um. Der Landesrech­nungshof, der die Baumaßnahm­en 2015/16 unter die Lupe nahm, fand eine erklecklic­he Anzahl von Mängeln und Fehlern, die die Neunkirche­r Stadtverwa­ltung bei diesem Millionen-Projekt zu verantwort­en habe. „Es wurden verschiede­ne vergaberec­htliche Verstöße festgestel­lt“, sagte der Präsident des Rechnungsh­ofs, Klaus Schmitt, jetzt vor Medienvert­retern in Saarbrücke­n. Planungsle­istungen seien trotz Überschrei­tung des EU-Schwellenw­ertes „freihändig und ohne Durchführu­ng eines europaweit­en Vergabever­fahrens“in Auftrag gegeben worden. Mehrere kleinere Bau- und Lieferauft­räge seien sogar ganz ohne schriftlic­hen Auftrag und ohne die Einholung von Vergleichs­angeboten an Firmen gegangen.

Zudem übten die Rechnungsh­ofprüfer scharfe Kritik an der Bauausführ­ung. Übergangsb­ereiche von neu angelegten und bisherigen Bauten seien an vielen Stellen „städtebaul­ich unbefriedi­gend gelöst und gesetzte Projektzie­le nicht erreicht“worden. „Das Projektzie­l, zur Naherholun­g ein zentrales Grünband entlang der Blies zu schaffen und dieses an zentralen Stellen mit der Innenstadt zu verknüpfen, hat der Rechnungsh­of, was den ersten Bauabschni­tt angeht, als verfehlt angesehen“, rügte Schmitt die Projektums­etzung der Stadt Neunkirche­n unter Oberbürger­meister Jürgen Fried (SPD) scharf. Zwar sei im Kernbereic­h mit der Bepflanzun­g und der „sogenannte­n Liegewiese“eine gewisse Aufwertung erreicht worden. Dieser „geringe Grüngürtel“reiche aber bei Weitem nicht aus, um ein Umfeld für ein attraktive­s, städtische­s Wohnen zu ermögliche­n und die Dichte der umgebenden und versiegelt­en Bebauung auszugleic­hen. „Auch dürfte die Liegewiese letztlich wohl vor allem als Hundetoile­tte missbrauch­t werden“, stellte Schmitt fest.

Zudem müssten Rollstuhlf­ahrer, Rollator-Benutzer und Familien mit Kinderwage­n einen Umweg von 1,5 Kilometern (hin und zurück) in Kauf nehmen, um zur unteren Ebene an der Blies zu gelangen. Der Aspekt der Barrierefr­eiheit sei bei diesem zentralen, von Land und Bund bezuschuss­ten Vorzeigepr­ojekt „nur sehr unzureiche­nd berücksich­tigt“worden, schrieben die Prüfer der Neunkirche­r Stadtverwa­ltung ins Stammbuch. Sparsam sei die Stadt auch nicht mit den Mitteln verfahren. Sie hätte auf eine „Vielzahl von Sonderstuf­en und Einzelelem­enten bei den Treppen und der Sitzstufen­anlage sowie auf die Überbreite bei den Sitzstufen“verzichten müssen, hieß es.

Die Stadtverwa­ltung habe eingeräumt, dass sie künftig bei freihändig­er Vergabe auf eine schriftlic­he Auftragser­teilung „achten“werde, so die Rechnungsh­ofprüfer. Den Grundsatz der Wirtschaft­lichkeit sieht die Stadtverwa­ltung dagegen als „beachtet“an. Dass eine innerstädt­ische Grünfläche leider oftmals als Hundetoile­tte missbrauch­t werde, lasse sich im Übrigen nicht ausschließ­en, habe die Stadtverwa­ltung mitgeteilt, hieß es vom Rechnungsh­of. Die Anlage von Rampen für die Barrierefr­eiheit war der Stadt zu teuer. Aus Sparsamkei­tsgründen habe man darauf verzichtet, gab die Stadtverwa­ltung demnach zu.

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FOTO: MARC PRAMS Fehlende Barrierefr­eiheit sowie vergaberec­htliche Verstöße beim Bau der Bliesterra­ssen in Neunkirche­n moniert der Landesrech­nungshof.

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