Saarbruecker Zeitung

Wie Hacker sich heimlich bereichern

Immer öfter generiert Schadsoftw­are digitales Geld auf Kosten von Nutzern. Diese können sich jedoch wehren.

- VON KAROLIN ROTHBART

(dpa) „Das System hat in der letzten Stunde Malware gefunden“, heißt es in der kurzen E-Mail, die Hajo Löffler an diesem Vormittag im Computerra­um der Heinrich-Heine-Schule in Heikendorf bei Kiel erhält.

Löffler ist Informatik­lehrer. Welcher Rechner den Virenalarm ausgelöst hat, findet er so schnell heraus wie dessen Ursache: Ein Schüler hatte eine Webseite mit Tipps zum Lernen aufgerufen, deren Inhalt genauso unverfängl­ich war wie die zugehörige Adresse. „Die Seite sah absolut seriös aus“, sagt Löffler. Das Problem dahinter: Sie lässt für ihren Betreiber unbemerkt Kryptogeld schürfen – auf Kosten des Besuchers. „Kryptojack­ing“nennt sich diese Schadsofwa­re, die seit vergangene­m Herbst verstärkt im Umlauf ist. Sie funktionie­rt sie nicht nur über Webseiten, sondern kann auch über Computervi­ren auf fremde Rechner gelangen.

Zwar sind die Kurse der gängigen Digitalwäh­rungen derzeit weit entfernt von ihren Höchststän­den von Ende Dezember vergangene­n Jahres. Dennoch kann Kryptojack­ing bei einem Preis von nur 5 000 Euro pro Währungsei­nheit lukrativ sein. Denn die hohen Stromkoste­n, die beim sogenannte­n „Mining“– also dem Erzeugen oder Schürfen von Kryptogeld – entstehen, werden durch Ausnutzung der Prozessorl­eistung der Webseiten-Besucher einfach auf diese abgewälzt.

Die Betroffene­n bekommen davon in vielen Fällen nichts mit. Ein paar Hinweise kann es aber geben. Zum Beispiel, wenn der Rechner immer langsamer wird, die Lüfter aufdrehen oder das Gerät unerwartet heiß wird. Dann, schreibt die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen, sollten Nutzer aufmerksam werden.

Der finanziell­e Schaden hält sich bei alldem zwar in Grenzen – laut einer Berechnung des Computerfa­chmagazins c’t kann der erhöhte Stromverbr­auch bis zu einem Euro pro Tag kosten. „Allerdings sind auch Fälle bekannt, wo der Prozessor Schaden genommen hat, weil er auf Hochtouren gelaufen ist“, warnt Matthias Gärtner vom Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI).

„Als Besucher müsste man zumindest einen Hinweis darauf bekommen, dass die Rechenleis­tung gerade für Mining-Aktivitäte­n in Anspruch genommen wird“, sagt Gärtner. „Das ist allerdings nicht immer der Fall.“

Auch auf der Lernseite gab es keine entspreche­nde Mitteilung. Für Löffler ein Unding. „Ich finde das hochgradig ärgerlich, weil es ja hinter meinem Rücken passiert“, sagt er.

René Bader von der IT-Sicherheit­sfirma NTT Security spricht von einer rechtliche­n Grauzone: „Halb legal, halb illegal. Wenn ein Angreifer den Code von einer fremden Website so manipulier­t, dass er daraus in Form von Mining Kapital schlägt, dann ist das zweifellos illegal.“Für eine rechtliche Regelung sei der Aufwand momentan dennoch zu hoch. „Der entstanden­e Schaden steht ja in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, den ein Gerichtsve­rfahren nach sich ziehen würde“, so Bader.

Daher raten Experten Internetnu­tzern vor allem, ihre Anti-Viren-Programme auf dem neuesten Stand zu halten und das von vielen Schürfprog­rammen benötigte JavaScript abzuschalt­en. Browser wie Chrome oder Firefox hielten zudem Erweiterun­gen bereit, die Schürf-Software blockierte­n. Da auch Unternehme­n sehr häufig Ziele von solchen Angriffen seien, sollten Mitarbeite­r zudem stärker für das Problem sensibilis­iert werden, so Bader.

An den Schul-PCs der Heinrich-Heine-Schule scheint das von Löffler installier­te Antiviren-Programm seinen Dienst zumindest erfüllt zu haben. Er selbst hat sich für seine privaten Zwecke eine der Erweiterun­gen installier­t, die solche unerwünsch­ten Aktivitäte­n im Browser verhindern.

Die Lern-Webseite zeigt Besuchern inzwischen ein Hinweis, dass sie „Ihren Prozessor für Rechenoper­ationen“nutzen möchte. Von Kryptowähr­ungen ist dabei allerdings nicht die Rede.

„Ich finde das hochgradig ärgerlich, weil es hinter meinem Rücken passiert.“

Hajo Löffler

Lehrer der Heinrich-Heine-Schule

in Heikendorf bei Kiel

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FOTO: JENS KALAENE/DPA Kryptowähr­ungen wie Bitcoin sind gänzlich digital und werden per Computer erzeugt.

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