Am Rhein reifen Titelträume
Bayer Leverkusen gilt in der neuen Bundesliga-Saison als Geheimfavorit — angesichts des Kaders nicht ohne Grund.
von ihrem Wunsch nach Titeln gesprochen haben, wurden von Vereinsseite bestärkt statt eingebremst.
„Warum sollten wir jemanden aufhalten, der Titel gewinnen will?“, fragte Boldt in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur: „Grundsätzlich ist das doch etwas sehr Positives. Und schließlich wollen wir das alle. Das leben wir jeden Tag vor, und wenn die Spieler das genauso sehen, ist es umso besser.“Trainer Heiko Herrlich, dessen Mannschaft an diesem Samstag (18.30 Uhr) bei Borussia Mönchengladbach in die Runde startet, bekräftigte: „Es ist gut, wenn die Spieler groß denken und sich auch entsprechend äußern.“
Die markigen Worte stünden durchaus im Einklang mit den Ambitionen der Führung, stellte Boldt klar. Seit dem DFB-Pokal 1993 gewann Bayer keinen Titel und wurde nach vielen knapp gescheiterten Anläufen als „Vizekusen“verspottet. Nun habe man ein Arbeitsumfeld, „in dem ambitioniert gearbeitet wird, in dem man viel erreichen will und das auch aussprechen darf“, sagte Boldt. Der Sportdirektor stellte aber klar: „Es gibt keinen, der sagt: Wir werden deutscher Meister.“Den Pokal oder die Europa League hat Bayer ebenso im Blick.
Auch Herrlich freut sich über den Mut seiner jungen Profis. „Erst träumst du davon, dann denkst du daran, dann sagst du es, dann machst du es“, sagte der Cheftrainer: „Sie lehnen sich damit ein Stück weit aus dem Fenster, aber sie haben einen Antrieb. Auch mit dem Risiko, auf die Nase zu fallen.“
In der Gesellschaft sei Häme für diesen Fall weit verbreitet. „Das ist ein ganz schlechtes Klima“, sagte Herrlich. Er fragte: „Warum soll man nicht versuchen, die ganz oben hängenden Trauben zu erreichen – auch mit dem Risiko abzustürzen? Aber um Erfolg zu haben, muss man mit voller Überzeugung ganz nach oben zielen. Mit voller Leidenschaft.“
In der Vorsaison wurde Bayer Fünfter. Dass dies nur bedingt als Erfolg betrachtet wurde, lässt Boldt klar durchblicken. „Wir haben alle zusammen was liegen lassen, und wir wollen das alle zusammen in diesem Jahr ausmerzen.“2017/2018 verpassten die Rheinländer die Champions League nur wegen der Tordifferenz. Aber: Der Verein konnte die umworbenen Nationalspieler Julian Brandt und Jonathan Tah sowie Shootingstar Leon Bailey halten. Einzig Torhüter Bernd Leno ist nicht mehr dabei, wurde aber mit dem Frankfurter Lukas Hradecky (pausiert aktuell nach einer Kiefer-OP) sehr gut ersetzt. Neben Torwart Hradecky fehlen zum Auftakt übrigens auch die angeschlagenen Zwillinge Lars und Sven Bender.
Innenverteidiger Tah begründete seine Vertragsverlängerung im Frühjahr damit, dass in Leverkusen „eine Art deutsche B-Nationalmannschaft“ aufgebaut würde. Entsprechend gespannt schaut man in Leverkusen am Mittwoch auf die erste Kadernominierung von Bundestrainer Joachim Löw nach dem Vorrunden-Aus bei der WM. Für einen Neuanfang bieten sich einige Bayer-Talente an.
Auch der erst 19 Jahre alte und bisher noch nie nominierte Kai Havertz gilt als Kandidat. „Er ist das größte Talent, das ich seit Toni Kroos gesehen habe“, sagte Herrlich: „Ich habe schon vor der WM gedacht, dass so ein Spieler der Mannschaft hätte weiterhelfen und lernen können. Aber ich denke, der Bundestrainer weiß ganz genau, was er zu tun und wen er zu nominieren hat.“Boldt erklärte: „Fußballerisch passt Kai Havertz in jede Mannschaft.“Vor allem in eine, die eine derartige Offensiv-Kraft entwickeln kann wie Bayer Leverkusen. Mit Kevin Volland, Lucas Alario, Karim Bellarabi, Bailey, Paulinho, Brandt und Havertz ist schon eine brutale Qualität vorhanden.