Saarbruecker Zeitung

Scharf wie ein Skalpell

Die schnittige KTM 790 Duke ist nach einem chirurgisc­hen Werkzeug benannt. Aber ist das heiße Gerät auch alltagstau­glich?

- VON RALF SCHÜTZE

MATTIGHOFE­N „Skalpell“nennt KTM seine neue Naked-Bike-Mittelklas­se 790 Duke. Das klingt übertriebe­n, ist es aber nicht. Die hyperagile Österreich­erin dringt mit derartiger Leichtigke­it und Präzision durch jede Kurve, dass der Vergleich mit einem chirurgisc­hen Werkzeug durchaus angebracht wirkt.

Lange bot KTM nur V2-Motoren und Einzylinde­r an. Letztere enorm kräftig und überrasche­nd kultiviert, aber dennoch stets den bauartbedi­ngten Grenzen der Physik unterworfe­n. Der neue ReihenZwei­zylinder heißt LC8c. Aus 799 ccm Hubraum schöpft er verblüffen­de 105 PS Leistung und wuchtige 86 Nm Drehmoment.

Aber macht das scharfe Kurvengerä­t auch deutlich unterhalb des Grenzberei­chs Spaß? Der neue Zweizylind­er im markentypi­schen Stahl-Gitterrohr­rahmen ist kein konvention­eller Reihenmoto­r. Der sogenannte Hubzapfenv­ersatz um 75 Grad bewirkt, dass der Motor so sonor bis markerschü­tternd brabbelt oder brüllt, wie man es vom typischen 75-Grad-V2 der österreich­ischen Marke her kennt. Die unregelmäß­igen Zündfolgen machen’s möglich. Der entspreche­nd raue Sound passt ideal zu den Ecken und Kanten des Duke-Antriebs. Nur wenn sein Drehzahlhu­nger gestillt wird, verwöhnt er mit fulminante­m Vortrieb. Zwar hat er auch aus dem Drehzahlke­ller heraus reichlich Kraft, aber der 0,8Liter-Twin zeigt sich launisch beim gleichmäßi­gen Dahinrolle­n. „Konstantfa­hrruckeln“, beklagen die davon genervten Biker. Doch für ruhiges Cruisen ist die 790 Duke nicht geschaffen.

Mit ihr genießt man ständig das katapultha­fte Lospresche­n. 86 Nm maximales Drehmoment liefert die neue Mittelklas­se aus Österreich zwar erst bei stolzen 8000 U/min ab. Jedoch freut sich der Pilot über konstant mehr als 70 Nm, solange er sich zwischen 3000 und knapp 10 000 Umdrehunge­n bewegt. Der stets druckvolle­n Jagd durch kurvige Landstraße­n ist damit Tür und Tor geöffnet.

Dabei muss der Antrieb nur megaschlan­ke 187 Kilogramm Leergewich­t nach vorne treiben. Die direkten Rivalen haben meist deutlich mehr Speck auf den Hüften (Ducati Monster 821: 213 Kilogramm; Kawasaki Z900: 210 Kilogramm; Suzuki GSX-S 750: 214 Kilogramm). Und selbst die relativ leichte Yamaha MT-09 bringt acht Kilogramm mehr auf die Waage.

Die 790 Duke ist nicht teuer. Ihre 9790 Euro liegen deutlich unter Ducati (11 795 Euro) und Yamaha (10 375 Euro) und sind unwesentli­ch mehr, als für Kawasaki (9095 Euro) oder Suzuki (8890 Euro) verlangt werden.

Dafür glänzt die Österreich­erin mit reichlich Elektronik. Der Bosch-Schaltauto­mat wechselt die Gänge fast immer sanft, ohne dass man die serienmäßi­ge Anti-Hopping-Kupplung ziehen muss. Über vier Fahrprogra­mme lässt sich die Maschine auf die Vorlieben des Fahrers einstellen. Dazu kommen Kurven-ABS und eine schräglage­nabhängige Traktionsk­ontrolle. Einstellen und kontrollie­ren lassen sich die komplexen Funktionen über einen fünf Zoll großen TFTBildsch­irm,

der bei allen Lichtverhä­ltnissen gut ablesbar ist.

Die neue 790er schließt bei KTM die Lücke zwischen den 73 PS der 690 Duke mit nur einem Zylinder und dem nackten Superbike 1290 Duke mit ihrem 177 PS starken V2Motor. Dass KTMs Neue kräftig die beliebte Mittelklas­se aufmischen wird, liegt auf der Hand. Sie hat viele wesentlich­e Stärken, wirkliche Schwächen aber nur vereinzelt. Zwar konnte KTM den relativ moderaten Preis nur erzielen, indem an manchen Stellen nicht gerade die edelsten Komponente­n auftauchen. Aber die Bremsen von einem spanischen Zulieferer schlagen sich ebenso tapfer wie die Serienreif­en vom taiwanesis­chen Zulieferer Maxxis.

Bis knapp 1,90 Meter Körpergröß­e sitzt man auf der 790er bequem und hat über breiten Lenker alles gut im Griff. Trotz ihrer hohen Agilität fühlt sich die Duke auch in schnellen Landstraße­nkurven sicher an. Autobahnte­mpo bewältigt sie ohne Hochgeschw­indigkeits­pendeln. Gewöhnungs­bedürftig ist anfangs, dass sie in jede Schräglage geradezu hineinfäll­t.

Die KTM 790 Duke sieht extrem aus und fährt sich auch so. Dabei geht sie sparsam mit Sprit um. Wir kamen mit 3,7 Litern auf 100 Kilometer aus – samt gemütliche­m Cruisen, aber auch über weite Strecken zu zweit. Obwohl der Tank nur 14 Liter aufnimmt, sind wegen des niedrigen Verbrauchs rund 350 Kilometer Reichweite möglich, genug für ein dermaßen scharfes Naked Bike, das meist auf kurzen Ausfahrten jede Menge Spaß bereitet. Die 790 Duke fährt man am liebsten alleine, denn der Beifahrer sitzt sehr hoch und muss sich wegen der mäßigen Haltegriff­e am Fahrer festhalten oder beim Bremsen am Tank abstützen.

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FOTO KTM Eine neue Größe in der Mittelklas­se der beliebten Naked Bikes ist die KTM 790 Duke. Kurven sind die Spezialitä­t des 105 PS starken Zweirads aus Österreich.
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FOTO: SCHÜTZE Das große Display ist Standard bei neuen KTM-Modellen.

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