Neue Abgasnorm macht Leasing billig
Ein neuer VW Polo in der besten Ausstattung Highline für nur 19 Euro im Monat: Derzeit haben Schnäppchenjäger alle Chancen, sollten die Angebote aber dennoch akribisch prüfen.
SAARBRÜCKEN Auf riesigen Parkplätzen, zum Beispiel am noch immer nicht fertigen neuen Flughafen Berlin, stehen sich Tausende von Neuwagen die Reifen platt. Ihre Verbrauchs- und CO2-Angaben entsprechen noch der alten Norm NEFZ zur Ermittlung des Durchschnittsverbrauchs. Ab 1. September aber gilt der 25 Jahre alte „Neue Europäische Fahr-Zyklus“nicht mehr. Dann wird die Abgasnorm Euro 6c Pflicht, und die erfordert einen anspruchsvolleren Verbrauchstest: die „Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure“– das „weltweit einheitliches Testverfahren für leichte Fahrzeuge“, kurz WLTP.
Für Euro 6d-temp (verpflichtend ab September 2019) und 6d (ab Januar 2021) sind sogar zusätzlich Fahrten auf der Straße vorgegeben. Dieses Messverfahren heißt RDE – Real Driving Emissions – Abgasmessung auf der Straße.
Das Ganze ist nicht nur für Autokäufer und -verkäufer kompliziert, sondern erst recht für die Hersteller. Genügte es im NEFZ, für Verbrauch und CO2-Ausstoß lediglich die verschiedenen Motoren und Getriebe zu messen, so müssen bei WLTP zusätzlich Varianten wie eine zweioder viertürige Karosserie oder mit und ohne Schiebedach berücksichtigt werden, weil sie unterschiedlich schwer sind. Auch normale, breitere oder Allwetter-Reifen müssen jeweils extra getestet werden. Die Ergebnisse liegen näher an der Wirklichkeit, bedeuten aber immensen Aufwand. Sie werden der Praxis noch besser entsprechen, wenn mit Euro 6d-temp beziehungsweise Euro 6d die zusätzliche Verbrauchsmessung RDE Vorschrift wird.
Das Problem, auch mit Kapazitäten bei Messgeräten und Personal, wurde offensichtlich unterschätzt. Und munter weiter produziert, obwohl WLTP-Werte noch nicht vorlagen und bis Ende August auch nicht vorliegen werden. Diese Autos stehen auf Halde und müssen bis 31. August Nummernschild und Stempel bekommen. Hektische Aktivitäten sind die Folge. Was nicht an den Kunden gebracht ist, müssen Handel und Hersteller auf sich selbst zulassen und später als Tageszulassung mit entsprechendem Rabatt losschlagen. Die Zahl dieser Eigenzulassungen ist bereits im Juli kräftig gestiegen. Jetzt im August ist der Andrang bei Zulassungsstellen so groß, dass sie teilweise stundenweise für den Publikumsverkehr geschlossen werden müssen.
Wegen der WLTP-Probleme sind manche Modelle, gerade bei VW, Audi und Porsche, zur Zeit gar nicht lieferbar, sie können nicht einmal bestellt werden.
Ein weiterer Grund für die fehlenden WLTP-Werte wird unter der Hand kolportiert. So sollen vor allem die großen deutschen Hersteller darauf vertraut haben, dass der Euro-6c-Termin und damit die WLTP verschoben werden. In Brüssel mühte sich eine ganze Mannschaft von Lobbyisten. Dummerweise kamen exakt zu dieser Zeit die AbgasSchummeleien ans Licht. Die Politik war verärgert und zeigte Härte.
Der Kunde kann sich freuen. Halden-Autos werden mit höchsten
Rabatten offeriert, zu fast sensationell günstigen Finanzierungs- und Leasing-Bedingungen. Beispiel Volkswagen: Einen Polo in bester Highline-Ausstattung, unter anderem mit fünf Türen, Leichtmetallrädern, City-Notbremse, Sitzheizung, elektrischen Fensterhebern vorn und hinten sowie natürlich Klimaanlage und Radio gibt es für 19 Euro im Monat bei 2990 Anzahlung. Das klingt sensationell. Das Leasing-Angebot gilt für zwei Jahre und 20 000 Kilometer. Mit der Neuwagen-Garantie sollten Reparaturen kein Thema sein. Reifen und TÜV-Termin kann man in den zwei Jahren vergessen. Ähnliche Angebote gibt es nicht nur für den Polo, nicht nur bei Volkswagen.
Das VW-Angebot gilt allerdings nur mit 1,6-Liter-Dieselmotor. Mit 95 PS/70 kW und 250 Nm Drehmoment macht er im leichten Polo eine ausgezeichnete Figur, auch im
Verbrauch (3,7 Liter nach NEFZ, CO2-Ausstoß: 97 g/km). Mit Stickstoff-Katalysator ist er sauber. Doch die in den kleinen Klassen meist privaten Käufer sind verunsichert, Diesel spielten für sie ohnehin nie die große Rolle. Wolfsburg versucht mit aller Macht, die Bänder am Laufen zu halten. Und hat dieses Angebot sogar auf einige Neuwagen ausgeweitet, also auf Autos, die nicht auf Halde stehen und sogar bereits die schärfste Abgasnorm Euro 6d-temp erfüllen.
Eine Anzahlung, für die man sonst allenfalls einen betagten Gebrauchtwagen bekommt, und Monatsbeträgen von unter 20 Euro sind äußerst verlockend. Dennoch sollte man auch hier nicht blind zuschlagen. Ein Diesel verlangt eine höhere Kraftfahrzeugsteuer. Die Haftpflicht-Versicherung ist in aller Regel teurer als bei einem Benziner, die Leasinggesellschaft verlangt zusätzlich Vollkasko. Beides kann teuer werden, vor allem bei jungen Fahrern mit noch kleinem Schadenfreiheitsrabatt. Bei Leasing-Ende geht das Auto zurück. Die Anzahlung, in unserem Fall 2990 Euro, ist weg. Das neue Auto kostet also 125 Euro pro Monat nur dafür, dass es da steht. Hinzu kommen teurere Steuer und teurere Versicherung. Bei Unfällen oder beim Ausfall des Leasingnehmers (Fahrers) etwa durch Krankheit kann es Probleme geben. Bei aller Begeisterung ist also ein spitzer Bleistift gefragt.
Eile bei einer Entscheidung ist nicht geboten, auch wenn die VW-Händler ihre Aktion Ende August erst einmal auslaufen lassen. Tageszulassungen und Rabatte werden wie verlockende Finanzierungs- und Leasingangebote die Branche noch längere Zeit bestimmen. Man muss auch kaum befürchten, mit einem Euro-6b- oder -6c-Modell von Fahrverboten betroffen zu werden, zumindest nicht in zwei Jahren Leasing-Laufzeit. Freuen darf man sich bei Halden-Autos sogar über weniger Kfz-Steuer: Nach NEFZ liegen die Werte für Verbrauch und Emissionen niedriger als nach WLTP. Und der CO2-Ausstoß ist neben dem Hubraum eine bestimmende Größe für die Kfz-Steuer.