Ein großer Humorist verließ die Bühne
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Anton Sprengart.
ST. INGBERT Anton Sprengart war ein Genuss- und Gesellschaftsmensch. Deshalb wollte er seinen 90. Geburtstag im Sommer 2017 ganz groß feiern. Seinen 91. Geburtstag am 9. August dieses Jahres feierten seine Freunde und die Familie allein, denn Toni, wie ihn alle nur nannten, war einen Monat zuvor verstorben.
Bis zum Jahreswechsel sei ihr Onkel relativ fit gewesen, erzählt seine Nichte Nicole Ziegler, obwohl ihm seit Jahren Prostata- und Hautkrebs zu schaffen machten. Doch Toni habe sich nie hängen lassen, habe in jeder Lebenslage Disziplin und Kampfgeist besessen. Wegen einer Grippe nahm er Antibiotika, bekam Halluzinationen und brach sich bei einem Sturz einen Fuß. Anton Sprengart, der bis dahin seinen Haushalt weitestgehend allein bewältigte, kam ins Krankenhaus und von dort ins Barbara-Heim, wo er wieder „aufblühte“, wie sein Freund Günte r Kunze sagt. Sein Zimmergenosse bezeichnete ihn als „Sechser im Lotto“. Auch im Heim habe er „die Hütte gerockt“und schmiss da mit seinen 90 Lenzen eine Kappensitzung. Aus dem Rollstuhl heraus hielt er die Büttenrede. „Das Heimpersonal hatte seinen Spaß mit ihm“, sagt Nicole Ziegler. Bis zuletzt hatte er immer ein Lächeln auf den Lippen und einen Kalauer parat. Und das scheint ihm in die Wiege gelegt worden zu sein. „Er war von Geburt an eine Frohnatur“, weiß die Nichte aus Erzählungen in der Verwandtschaft. Als Saarbrücker Bub 1927 geboren, wuchs Anton Sprengart mit sechs Geschwistern auf. Später zog die Familie nach Bildstock. Als junger Kerl musste er in den Krieg ziehen. Drei Tage vor Kriegsende, da war er gerade 16 und in der Umgebung von Prag, zerfetzte ein Geschoss seine rechte Hand, die später durch eine Prothese ersetzt wurde. Toni machte als Optimist das Beste daraus. „Da er als Jugendlicher indoktriniert wurde, wollte er danach mit Politik nichts mehr zu tun haben“, sagt seine Nichte. Vielleicht habe er sich aus der Kriegserfahrung Der verstorbene Anton Sprengler
über seine Zeit auf Erden heraus dem Humor verschrieben und so seinen eigenen Weg gefunden, das Leben zu bewältigen.
Nach dem Krieg machte er eine Lehre als kaufmännischer Angestellter bei der Firma „Jega“. Lange Jahre war er dort Personalchef, engagierte sich auch bei den „Jega“-Fußballern als deren Vorsitzender und Organisator, bevor das St. Ingberter Unternehmen 1974 in Insolvenz ging. Auch die „Jega“machte Fastnacht – in der Donauschenke. Keine Frage, dass Toni auch da in seinem Element war. Dann wechselte er zur „Mabag“.
Anton Sprengart sei sehr harmoniebedürftig und ein Familienmensch gewesen. 1955 heiratete er seine Anneliese. Ihr zuliebe zog er von Bildstock, wo er als leidenschaftlicher Tänzer „das Dorf gerockt hatte“, nach St. Ingbert. „Allen wohl und niemand weh“war sein Motto, das sich nicht von ungefähr mit dem des Mainzer Carneval Clubs deckt. Denn Toni Sprengart war ein Humorist par excellence, wie Nicole Ziegler sagt. Keine Bütt war vor ihm, der 1955 in den Männergesangverein „Frohsinn“eigentlich zum Singen eintrat, sicher. Im MGV wurde und wird Fastnacht gelebt – Toni war mittendrin. „Darin ist er aufgegangen. Sein Leben waren der Frohsinn und die Fastnacht.“Seit dem „Frohsinn“, wo Toni nicht nur Elferratspräsident, sondern auch Vorsitzender, im Vorstand, im Ballett und im Hofchor war, kennen er und Günter Kunze sich. Seitdem bestand zwischen den beiden eine enge Männerfreundschaft. „Er hatte ja das Handicap mit der Hand, da habe ich ihn immer ein wenig unterstützt“, erzählt Günter Kunze.
Als der Haushalt seines Freundes nach dessen Tod aufgelöst wurde, fanden sich Dutzende Ordner mit Witzesammlungen und Erinnerungen an die fünfte, und für Anton Sprengart wohl schönste Jahreszeit. Bei der Archivierung sei dieser fast ein bisschen pedantisch gewesen, so wie er im täglichen Leben diszipliniert war. „Außer bei Süßigkeiten“, muss die Nichte in Erinnerung an den späten „süßen“Toni lachen, der vorher eher auf Herzhaftes stand.
„Er war die Lebensfreude in Person“, erinnern sich alle, die ihn kannten. Er und seine Frau hatten selbst keine Kinder, um so enger war das Verhältnis zu den Nichten und Neffen. Nach dem Tod von Nicole Zieglers Tante, Tonis Frau, im Jahre 2011, hielt Anton Sprengart weiter engen Kontakt zur Nichte in Baden-Baden. „Er hat uns oft besucht und liebte es, von uns herumgefahren zu werden. Alleinsein war nicht so sein Ding.“
Das Leben in der Großfamilie hat ihn geprägt. Er bot seine Unterstützung an, wo er konnte, war im Siedlerbund engagiert. Über sein Leben habe er gesagt: „Ich war glücklich, wenn ich andere zum Lachen bringen konnte.“Und: „Isch han e scheenes Läwe gehadd.“
Für seinen 90. Geburtstag hatte er alle Kräfte gesammelt. Dann – ein Schwächeanfall. „Wir haben den Männern vom ,Frohsinn’ dann gesagt, sie sollen anfangen zu singen“, erinnert sich die Nichte an Tonis letzten Geburtstag, „und mit jedem Ton sind die Lebensgeister zurückgekommen, er hat den Takt mitgeschlagen, und Toni war wieder da.“Das sei magisch gewesen wie überhaupt die letzte Woche vor seinem Tod. Einen Tag vor dem Ende haben sich alle noch einmal in Tonis Zimmer im Pflegeheim versammelt – bei Kaffee und Kuchen. „Als ich bei ihm am Bett saß, ist mir auch der Spruch für die Todesanzeige eingefallen: Ein Humorist verlässt die Bühne“, sagt Nicole Ziegler. „Er war in St. Ingbert fast so etwas wie eine Berühmtheit. Er wird in vielen Herzen weiterleben.“.............................................
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„Isch han e scheenes
Läwe gehadd.“
Michaela Heinze Matthias Zimmermann